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Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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verstehen
solltest.«
    Ihre Augenbrauen
gingen ein wenig in die Höhe. »Diesmal bin ich es, die gespannt ist.«
    Ihr üblicher
ironischer Unterton brachte ihn dazu, noch einmal abzuwägen, ob er es wirklich aussprechen
sollte – aber da waren die Worte schon draußen: »Du könntest die Nacht bei mir verbringen.«
    Ein Moment
absoluter Stille.
    »Oder auch
in meinem Büro, im Nebenzimmer«, redete John weiter und verfiel sogar in ein Stottern,
was ihn maßlos ärgerte. »Aber bei mir zu Hause wäre es vielleicht angenehmer. Und
ich, äh, ich würde dann natürlich das Büro nehmen. Andererseits dachte ich, du bist
vielleicht nicht gerade versessen darauf, allein zu sein, und dein Hotelzimmer ist,
also …«
    »John«,
stoppte sie ihn. »Kein Grund, verlegen zu werden. Ich finde es sehr zuvorkommend
von dir.«
    Im Schein
der Hotelbeleuchtung wirkte Lauras Gesicht anders als sonst. Weicher vielleicht?
Verletzlicher?
    »So verrückt
es für dich klingen mag«, fügte sie hinzu. »Ich nehme dein Angebot gern an.«
    Erstaunt
starrte er sie an. »Ach?«
    »Ich hole
nur rasch eine Tasche aus meinem Zimmer.«
     
    *
     
    Diesen Anblick musste er erst einmal
verkraften. Nun ja, nicht verkraften, aber doch irgendwie verdrängen, irgendwie
abschütteln … Es war ja auch ein äußerst intensiver Moment gewesen.
    John stieg
aus der Straßenbahn und ließ sich vom Gewimmel auf der Stadtbahnbrücke schlucken.
Mittagszeit, viele Leute waren unterwegs, vor allem Schüler, die spielerisch miteinander
rauften und laut lachten. Schon wieder ein herrlicher Tag, die Sonne schien, die
Wolken und die herbstliche Kühle des vergangenen Abends hatten sich vertreiben lassen.
Er schlüpfte aus seiner Lederjacke und nahm den Aufzug nach unten. Nur ein paar
Minuten später wurde er von der gleichen Ruhe geschluckt wie gestern. Und genau
wie gestern war es sinnlos, an diesen Ecken herumzustreifen. In der Belfortstraße
gab es nichts für John Dietz zu entdecken – das wusste er doch. Und trotzdem fand
er sich von Neuem wieder hier. Er schlenderte am Eimer vorbei und stellte fest,
dass die nette Sandra an diesem Tag nicht bediente. Beim Papperla-Pub legte er eine
Rast ein, besetzte einen der wenigen Außentische und ließ sich einen Milchkaffee
schmecken.
    Automatisch
wanderte sein Blick zu dem Haus, das am Vortag das Ziel so vieler Männer gewesen
war. Und ebenso automatisch erwuchs vor seinem inneren Auge ein bestimmtes Bild.
Ja, dieser Anblick. Und das so früh am Morgen, gerade nach dem Aufwachen, völlig
unvorbereitet. Er sah sich selbst, wie er sich aus der Decke wühlte und vom Sofa
schob. Wie er nur in T-Shirt und Unterhose zum Badezimmer schlurfte. Wie er die
Tür öffnete, gähnte – und dann einfach stehen blieb, erstarrt, plötzlich vollkommen
wach. Ja, ein intensiver Moment. Obwohl nichts geschehen war, nicht das Geringste,
gar nichts.
    Aber – was
für ein Anblick. Laura Winter, nur mit einem Slip und einem Oberteil mit dünnen
Trägerchen bekleidet, ungeschminkt, mit großen Augen und vom Schlaf wirrem Haar,
mit endlos langen Beinen, deren samtigen Flaum John unwirklich schimmern sehen konnte
– so nah war er ihr gekommen. Eine Sekunde, noch eine Sekunde. »Tschuldigung«, murmelte
er, um sich schließlich von diesem Bild loszureißen und ins Wohnzimmer auf sein
durchgesessenes Sofa zu verschwinden.
    Eigentlich
konnte man es kaum vergessen, dass man einen weiblichen Gast hatte – vor allem,
wenn das zuletzt vor Wochen oder gar Monaten der Fall gewesen war. Entfallen war
es ihm ja auch nicht, er war nur verschlafen gewesen, hatte gedacht, es wäre wesentlich
früher, hatte gedacht, sie schlafe noch, hatte gedacht – was auch immer.
    Gerade verließ
ein Mann das Haus in Johns Blickfeld, und kurz darauf drückte ein Neuankömmling
eine der Klingeln. Wie am Tag zuvor. Eingehend betrachtete John die in der Straße
geparkten Fahrzeuge, doch ein schwarzer Chrysler befand sich nicht darunter. Und
wenn ja, was wäre dann?
    Finde dich
endlich damit ab, sagte sich John, dass dein Riecher nichts taugt.
    Er zog das
mittlerweile leicht abgegriffene, an einer Ecke geknickte Foto aus der Tasche und
besah es sich, als wäre es das erste Mal. Die Lebenslust, die Neugier, die aus Felicitas
Winters Gesichtsausdruck sprachen, hatten für John ihre Schwammigkeit verloren,
verbanden sich nun mit konkreten Vorlieben und Angewohnheiten.
    Stundenlang
hatte er sich in der vergangenen Nacht mit Laura unterhalten. Eigentlich war es
weniger eine

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