Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
Unterhaltung gewesen, eher ein Monolog Lauras, hin und wieder unterbrochen
von Johns Fragen. Und es war fast ausschließlich um Felicitas gegangen. Um ihr helles,
ansteckendes Lachen, um Nächte, die sie durchgetanzt hatte, um ihren Hang, Freunden
und Bekannten Streiche zu spielen, um ihre fantasievolle, künstlerische Ader, die
in etlichen Zeichnungen ihren Ausdruck fand. Und um die Leichtigkeit, mit der Felicitas
die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. »Sie brauchte nur einen Raum betreten,
und sofort zog sie alle Aufmerksamkeit auf sich.« Lauras Stimme hallte noch in seinen
Ohren wider. »Ja, sie war eine echte Schönheit. Doch weit mehr als das. Es lag nicht
nur an ihrer Figur, ihrem Haar, ihren Augen – es war einfach diese ganz besondere
Art, die ihre Attraktivität ausmachte. Ihre Ausstrahlung. Sie war nie schlecht gelaunt.
Wenn man’s heute erzählt, klingt’s wie ein blödes, leeres Klischee. Aber sie war
wirklich so. Immer ging es nach vorn, immer musste etwas los sein.«
Laura hatte
erzählt und erzählt, hatte sich zum zweiten Mal in seiner Gegenwart gehen lassen.
Als sich zweieinhalb Flaschen sizilianischen Rotweins später bereits die ersten
Strahlen der Sonne in Johns unaufgeräumtes Wohnzimmer stahlen, wirkte sie vollkommen
erschöpft. Er bezog ihr das Bett frisch und überhörte dabei ihre mit Bestimmtheit
durch die Wohnung gerufenen Proteste, dass für sie nur das Sofa infrage käme. Todmüde
schien sie, als er sie schließlich ins Schlafzimmer führte und die Tür mit einem
leisen »Schlaf gut« hinter ihr schloss.
Er selbst
hatte kaum geschlafen, und wenn doch, war er von sonderbaren Träumen heimgesucht
worden, in denen die Gesichter des traurigen Bären und des Messerschwingers mit
dem harten Akzent auftauchten. Irgendwann morgens war es zu der kurzen stummen,
aber umso intensiveren Begegnung im Bad gekommen. Später zu einer zweiten in der
Küche, bei der sie einfach so taten, als hätte es die erste überhaupt nicht gegeben.
Ein paar Floskeln, ein paar Blicke. Sie tranken Kaffee, und John entschuldigte sich,
dass er leider nicht mehr zum Frühstück anbieten könne. »Kein Problem«, hatte Laura
geantwortet.
Es war ein
komisches Gefühl für John gewesen, dieser Frau in seiner eigenen engen Küche gegenüberzusitzen,
als wären sie alte Freunde. Dieser Frau, die es selbst nach ein paar schnellen Minuten
im Bad schaffte, wie aus dem Ei gepellt auszusehen, die helle Stoffhose elegant
und faltenfrei, das gerade dank seiner Schlichtheit umso stilvollere dunkelgrüne
Oberteil, das hervorragend zu dem Blondton ihres Haars passte. Eine attraktivere
Frau hatte mit Sicherheit noch nie eine seiner angestoßenen Tassen mit Elvis-Presley-Konterfei
in den Händen gehalten. Und doch wirkte sie nicht halb so umwerfend wie etwa zwei
Stunden zuvor im Bad.
Allein schon
um sich von diesem Bild nicht noch mehr gefangen nehmen zu lassen, hatte John sich
gleich nach dem spartanischen Frühstück verabschiedet. Er gab vor, die eine oder
andere Sache erledigen zu müssen, aber im Grunde wollte er nur ein bisschen allein
sein. An der frischen Luft munter werden, nachdenken, den schweren Rotwein aus dem
Kopf kriegen. Und er vermutete, dass es Laura nicht ungelegen käme, für sich zu
sein. Denn von der Angst, die er – ob nun begründet oder nicht – am Vorabend in
ihrem Blick gelesen hatte, schien nichts übrig geblieben zu sein.
Wieder ein
einzelner Herr, der sich etwas unsicher dem gewissen Haus näherte. Kurz bevor er
die Klingel betätigte, sah er verstohlen die Belfortstraße hoch und runter. John
musste schmunzeln. Dann sah er die Szene von gestern vor sich und das Schmunzeln
erstarb. Der Kerl mit dem Messer, der Schlag, den die Frau erhielt, die erst wie
betäubt, dann wie aufgedreht gewirkt hatte. Er dachte an die Männer, die das Haus
aufgesucht hatten, an die teure, aufreizende Kleidung der Frau, als er sie zum zweiten
Mal gesehen hatte. Und er hörte ihre Worte in seiner Erinnerung. ›Das Restaurant
mit dem besten Schwertfisch … Ich weiß genau, dass du mit deinen anderen Mädchen
dort warst …‹
John verstaute
Felicitas Winters Foto in der Innentasche und fragte sich, ob er sich darüber ärgern
sollte, dass er es gestern Sandra nicht gezeigt hatte. Du könntest es der Bedienung
hier unter die Nase halten, schlug er sich vor. Ach, bringt ja doch nix, lass es
am besten für immer in der Tasche verschwinden. Ein anderer Gedanke kam ihm und
er kramte sein Handy hervor. Nach zahllosen
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