Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
ist
ein Papagei«, erklärte er überflüssigerweise.
Die Andeutung
eines weiteren Lächelns. »Ich wusste immer, dass du einen Vogel hast.«
»Danke für
dein Vertrauen«, erwiderte er ironisch.
»John, ich
will wirklich ganz offen sein.« Zum ersten Mal nannte sie seinen Namen. »Mit Vertrauen
hat das nicht das Geringste zu tun. Es ist eher die reine Verzweiflung. Ich habe
einfach keine Ahnung, was ich sonst tun oder mit wem ich sonst sprechen könnte.
Diese Ungewissheit, dieses Loch, nicht zu wissen, was Felicitas …« Sie stoppte
sich. »Ich will mehr erfahren. Unbedingt.«
»Du warst
bei der Polizei?«
»Sicher.
Aber dort konnte man mir überhaupt nichts sagen. Die Polizei hat sogar angenommen,
die Adresse in ihrem Studentenausweis wäre die korrekte.«
»Die Adresse
des Wohnheims?«
»Richtig.«
»Wie viele
Detekteien hast du bereits beauftragt?«, fragte er aus einem plötzlichen Impuls.
»Zwei«,
entgegnete Laura, ohne überrascht zu sein. »Erst die Detektei Keller, dann Ulbricht
& Heckler.«
Die beiden
einzigen in Freiburg, die wirklich gut sind, dachte John. »Ohne Ergebnis, nehme
ich an.«
Laura Winter
erhob sich. »Gib dein Bestes, John.« Sie sah auf ihn herab. »Was immer dein Bestes
sein mag.«
*
John Dietz war schon lange nicht
mehr hier gewesen. Doch viel hatte sich offenbar nicht verändert. Er folgte einem
jener langen Korridore, die immerzu leer wirkten. Nicht das Geringste war zu spüren
von einer Atmosphäre, die auf Lebendigkeit und Aufbruch schließen ließ, wie man
das womöglich erwartet hätte. Es war eher jene altbekannte staubige Trägheit wahrzunehmen,
die sich in die Mauern gefressen hatte. Kollegiengebäude 1, also der altehrwürdige
Teil der Albert-Ludwigs-Universität, der über diesen Gang direkt zum neueren Flügel
führte, dem Kollegiengebäude 3.
Vor Jahren
war John täglich über diesen Steinboden geschlichen, bereits damals mit dem Gefühl,
nicht hierher zu gehören. Ein Gefühl, das sich auch an diesem frühen Nachmittag
sofort wieder einstellte. Einfach abgebrochen hatte er sein Studium, von einem Tag
auf den nächsten. Ohne Idee, was folgen würde. Vieles hatte er seitdem ausprobiert
– und ebenfalls wieder aufgehört. Es wurde Zeit, wenigstens einmal im Leben eine
Sache zu Ende zu bringen. Seine Detektei, er würde um sie kämpfen. Kämpfen wie nie
zuvor um etwas. Er lauschte dem hohlen Klang seiner Schritte und atmete die muffige
Luft ein. Es roch sogar noch genauso wie damals.
Neben der
Mitfahrzentrale nahm er den Aufzug und fuhr in den dritten Stock. Er sah schon von
Weitem den Mann, der mit auf dem Rücken gekreuzten Armen am Ende eines weiteren
dieser leblosen Korridore dastand. Irgendwie hatte John damit gerechnet, mit einer
Sekretärin sprechen zu müssen und dann in einem Büro geparkt zu werden, ehe ihm
ein paar Minuten mit dem Herrn Professor gewährt würden. Doch dem war nicht so.
Professor
Trebitsch trat ihm entgegen und hielt ihm die Hand hin. Ein kurzer Druck, der eine
gewisse Gereiztheit nicht verbergen konnte. Jedenfalls kam es John so vor.
»Wir haben
telefoniert, nehme ich an?«, fragte der schlanke, etwa 50-jährige Mann mit dem akkurat
geschnittenen, grau melierten Haar.
»Ja, John
Dietz. Schön, dass Sie etwas Zeit freimachen können.«
»Leider
nicht sehr viel«, beeilte sich Trebitsch mit der Antwort.
Kein Büro,
nicht einmal ein Stuhl, um Platz zu nehmen. Sie blieben einfach an einem Fenster
dieses Gangs stehen und sahen bei ihrem leise geführten Gespräch nach draußen auf
eine Wiese vor dem Gebäude, auf der sich Studenten in kleinen Gruppen hingesetzt
hatten, um die Sonne dieses Spätsommertags zu genießen.
John reichte
Professor Trebitsch das Foto von Felicitas Winter. Von dem hageren, glatt rasierten
Gesicht war keinerlei Reaktion abzulesen.
»Flüchtig
erinnere ich mich an die junge Dame«, sagte der Mann schließlich mit dieser zurückhaltenden
Stimme, die seine Studenten gewiss oft genug dazu veranlasste, in seinen Vorlesungen
wegzudämmern. »Sie nahm an einem oder zweien meiner Seminare teil.«
»Das Foto
wurde Ihnen ja schon mal gezeigt, nicht wahr?« John nahm es wieder an sich.
»Ja. Von
einer Frau, die …« Ein Stirnrunzeln. »Von der älteren Schwester.«
»Richtig.
Sie nannte mir Ihren Namen. Und die Polizei hat gewiss auch mit Ihnen gesprochen,
oder?«
Wieder das
Stirnrunzeln. »Nein, nur diese blonde Frau.«
»Und Sie
erinnern sich an die Studentin? Felicitas Winter?«
»Erinnern
ist zu
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