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Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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erneut spürte er das Kribbeln in seinem Magen, noch wesentlich
stärker als zuvor.

7
Flecken an der Wand
     
    »Mir kommt es vor, als würden wir
mindestens seit einer Woche in diesem Auto sitzen.« Laura Winter gähnte.
    Aus dem
Regen war ein dürftiges Tröpfeln geworden. Die Straße in Herdern lag ebenso leblos
und dunkel vor ihnen wie zuvor jene in Lehen.
    Im Gegensatz
zu Laura war John keineswegs entspannt. Obwohl sich nicht das Geringste ereignet
hatte, verspürte er weiterhin dieses alarmierende Kribbeln. Konzentriert nahm er
einen Schluck aus einer Colaflasche zu sich, die er zusammen mit Orangensaft und
Schokolade an einer Tankstelle in der Nähe besorgt hatte. Laura weigerte sich, etwas
davon anzurühren. Ihre zur Schau getragene Langeweile kam ihm gespielt vor. Als
wolle sie damit die Nachdenklichkeit überdecken, die sie – wie John in ihren Augen
las – erfasst hatte. Bestimmt musste sie das, was sie ihm vorhin erzählt hatte,
noch einmal für sich Revue passieren lassen. Offenbar hatte sie bisher niemandem
ihre eigene Situation mit derart einfachen, offenen Worten geschildert. Er hatte
sich aufs Neue in ihr getäuscht, zumindest das stand fest. Die vielen Seiten der
Laura Winter. Gab es noch weitere?
    Die Villa
mit dem Apfelbaum, umgeben von dem verwilderten Rasen und der Mauer, strahlte eine
Ruhe aus, die überhaupt nicht zu Johns Kribbeln passte. In der Einfahrt stand kein
Auto, also auch nicht der Chrysler. Seit er zum ersten Mal hier gewesen war, beschäftigte
ihn dieses Haus. Fragen nach Felicitas Winter hatten ihn zur stummen Maja geführt
– und die in die Belfortstraße. Und von dort wiederum war es weitergegangen nach
Herdern. Nichts passte zusammen, nichts gab sich klar zu erkennen. Und dennoch war
da etwas, das ihn geradezu zwang, hier zu sein. Nur sein Riecher? »Du verplemperst
bloß deine Zeit, John Dietz«, ermahnte er sich mit zusammengepressten Lippen. »Und
vergiss endlich deinen blöden Riecher.«
    »Hast du
was gesagt?«
    Er sah auf.
»Hm?«
    »Du hast
doch gerade vor dich hingeflüstert.«
    »Nein, ganz
bestimmt nicht.«
    »Na ja,
wenn du meinst.« Laura lächelte mit diesem wissenden Blick, den sie ihm allzu gern
schenkte.
    Seit über
zwei Stunden schlugen sie die Zeit tot. Kein Mensch befand sich in dem Haus – jedenfalls
deutete nichts darauf hin. Es wurde kein Licht angeknipst und niemand tauchte in
einem der Fenster auf, von denen an diesem Abend fast alle durch Rollläden oder
Vorhänge verdeckt wurden. John warf immer wieder einen Blick auf die Uhr – die Zeiger
schienen einfach nicht voranzukommen. Das Radio spuckte leises Chartsgedudel aus,
ansonsten herrschte in der Straße eine Stille, die nur kurzzeitig von ganz wenigen
abfahrenden oder eintreffenden Autos in der Nachbarschaft unterbrochen wurde. Durch
Johns halb geöffnetes Fenster strömte die vom Regen noch frische Luft herein.
    »Wenn es
wirklich dieses Gebäude ist, an dem du so interessiert bist«, meinte Laura nach
einem weiteren Gähnen, »dann halten wir wohl umsonst die Stellung. Da drin ist keine
Menschenseele. Oder wartest du auf jemanden?«
    »Ich weiß
es selbst nicht«, murmelte er.
    »Das klingt
ja nicht sehr vielversprechend.«
    John wechselte
einen raschen Blick mit ihr. »Ich sehe mich mal ein bisschen um.«
    Sie hob
nur die Schultern und begann, einen neuen Radiosender zu suchen.
    Vielleicht
hat ein Zuhälter dieses Haus gekauft, dachte John, als er über nassen Asphalt hinwegstiefelte.
Vielleicht ist der Messerschwinger auch gar kein Zuhälter und kam nur zufällig aus
dem Gebäude in der Belfortstraße. Nein, widersprach er sich in Gedanken. Das Bordell
in der Belfortstraße und der Mann mit seiner Begleiterin und Herdern, das alles
gehörte irgendwie zusammen. Die Frage war bloß, wie. Und dann gab es das riesengroße
Rätsel, ob sich eine gewisse Lady Butterfly in dieses Gespinst einfügen ließ. Die
stumme Maja war in der Belfortstraße aufgefunden worden, und nur deshalb war John
selbst … Nein, nicht schon wieder. Seine Gedanken drehten sich erneut hoffnungslos
im Kreis. Wenn man es nüchtern betrachtete, fand sich nicht der geringste Grund
für ihn, hier zu sein. Genauso wie in Lehen. Alles, was er hatte, war – sein Riecher.
    Mittlerweile
war John die ganze Straße abgelaufen. Er machte kehrt und ließ sich auf dem Weg
zurück viel Zeit. Dunkelheit umfing ihn, die kühl gewordene Luft biss in seine Wangen.
Er erreichte das Ende des Grundstücks – und es war wie schon einige Tage

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