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Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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zuvor:
Wie von einem inneren Zwang getrieben, ließ er sich über die Mauer gleiten. Seine
Sportschuhe sanken in den vom Regen aufgeweichten Boden ein. Er verharrte eine Weile
hinter ein paar Sträuchern, dann pirschte er sich an das Gebäude heran. Bei einigen
der unteren Fenster war zwar auf Rollläden verzichtetet worden, allerdings half
ihm das nicht. In der Villa herrschte stockdunkle Schwärze – von außen nichts zu
erkennen. Er umrundete das Gebäude einmal, ein zweites Mal, und blieb unschlüssig
stehen. Du machst dich lächerlich, sagte er sich, es hat einfach keinen Sinn.
    Langsam
ging er durch das hohe nasse Gras zurück zur Mauer und überwand sie an derselben
Stelle wie zuvor. Erneut blieb er stehen, um einen letzten Blick auf das Haus zu
richten. Als die Stimme hinter ihm erklang, hatte er das Gefühl, sein Herzschlag
setzte aus. Er vermochte nicht einmal wahrzunehmen, was überhaupt gesagt wurde.
Auf den Fersen wirbelte er herum – und erst jetzt drangen die Worte in sein Bewusstsein.
    »Komm schon,
Alterchen. Heb endlich dein Bein, damit wir wieder reinkönnen.«
    Erleichterung
erfasste John wie eine Welle. Nein, das war nicht der Kerl mit dem Messer. Glücklicherweise
nicht.
    Aus der
Dunkelheit schälte sich die winzige Gestalt einer alten Dame, die einen Pudel an
der Leine führte.
    John räusperte
sich, damit die Frau nicht erschrak, wenn sie ihm jeden Moment über den Weg laufen
würde. »Das ist ja komisch«, sagte er wie im Selbstgespräch. »Echt komisch.« Er
wandte sich dem Bürgersteig zu und tat so, als hätte er die Fremde eben erst bemerkt.
»Schönen Abend.«
    Sie musterte
ihn in etwa so misstrauisch wie zuvor der andere Hundefreund in Lehen. Und gönnte
ihm ein zurückhaltendes Nicken als Gruß.
    »Ach, sagen
Sie bitte: Ich wollte gerade einen alten Freund besuchen.« John wies zur Villa.
»Nun hab ich geklingelt und geklingelt und es scheint keiner da zu sein. Obwohl
wir verabredet sind. Haben Sie heute vielleicht einen schwarzen Chrysler gesehen?
Das ist nämlich …«
    Sie lief
an ihm vorbei, hielt jedoch an. »Ja, habe ich. Aber nicht heute. Und mehr hat man
von den Besitzern ohnehin nicht gesehen.«
    »Heute also
nicht? Vielleicht gestern …«
    Die Frau
zog an der Leine und ging weiter. »Sie sind zu spät, junger Mann. Die Besitzer sind
gestern ausgezogen.«
    »Ach?«
    »Ja, da
wurde ein kleiner Laster mit einigem Mobiliar beladen – und das war’s.«
    »Das Haus
steht leer?« John war erstaunt. »Sind Sie sicher?«
    »In der
Metzgerei Dörfler hat man das heute erzählt. Der Besitzer war wohl nur ein paar
Monate in dem Haus.«
    »Haben Sie
den Besitzer kennengelernt?«
    »Ich habe,
wie ich es Ihnen sagte, nur sein Auto gesehen.« Sie wirkte mehr als misstrauisch.
»Sie müssen ihn doch kennen. Ich denke, er ist Ihr Freund.«
    »Ja, klar.
Ich war mir nur nicht ganz sicher, ob die Adresse …« John ließ die Worte verklingen.
Die Frau war ohnehin weitergetippelt, jetzt deutlich schneller, und sie schaute
sich nicht mehr nach ihm um.
    Als er sich
kurz darauf wieder ins Auto setzte, war er ratloser denn je. Der Vanillegeruch kam
ihm vor wie Hohn. Es schien einfach nichts von dem, was er in Angriff nahm, zu klappen.
Er zog einen Kaugummistreifen aus der Packung, wickelte ihn dann aber nicht aus
der Folie, sondern warf ihn einfach achtlos hinter sich auf die Rückbank. »Eigentlich
kann ich Kaugummi überhaupt nicht leiden.«
    Laura musterte
ihn. Aus den Augenwinkeln nahm er ein Lächeln um ihre Mundwinkel wahr. Ein gönnerhaftes
Lächeln, wie er fand. »Du siehst nicht so aus, als wärst du zufrieden«, meinte sie
leise.
    »Ach? Was
du nicht sagst.«
    »Ein Hoch
auf die Vierbeiner. Und auf deren Besitzer.« Laura lachte. »Denn ohne die wüsstest
du gar nichts. Kann das sein?«
    »Tja, ohne
die besten Freunde des Menschen wäre die Welt einsamer«, murmelte er schnoddrig.
    »Zumindest
für Privatdetektive.«
    Plötzlich
tat sie etwas, das ihn völlig verblüffte: Sie strich mit den Fingern leicht über
seine rechte Wange. Eine winzige Berührung, schneller als ein Wimpernschlag. Doch
er konnte nicht anders, als sie anzustarren.
    »John, weißt
du, was Felicitas in Momenten wie diesen immer gesagt hat?«
    »Nein, weiß
ich nicht.«
    »Die Sonne
pupst drauf und geht morgen trotzdem wieder auf.«
    Er schmunzelte.
»Recht hat sie gehabt.«
    Laura nickte.
»Ja.«
    Ihm wurde
klar, er hatte sich vorhin getäuscht. Ihr Lächeln war nicht gönnerhaft gewesen,
sondern liebevoll. Oder

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