Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
irgendwie – wir hatten uns für immer verloren.«
Die Melodie
des Regens schien eintöniger geworden zu sein, und auf dem Asphalt hatten sich erste
Pfützen gebildet. Aus der Ferne glimmte die erhellte Turmspitze des Freiburger Münsters
in der Finsternis. Zwei der Straßenlaternen funktionierten nicht, und so wirkte
Lehen in diesem Augenblick wie ein kleiner einsamer, vom Rest der Welt längst vergessener
Flecken.
»Aber bevor
ich vollends in Trübsinn verfalle«, meinte Laura betont gleichmütig, »erzähl mir
lieber etwas über die geheimnisvolle Frau Eisenring.«
»Das ist
ein ziemlich abrupter Themenwechsel.«
»Den habe
ich nötig. Also: Was ist so interessant an der Frau?«
»An ihr
gar nichts. Möglicherweise an ihrem Sohn.«
»Gibt es
eine Verbindung von ihm zu Felicitas?«
»Das weiß
ich nicht.«
Sie sah
ihn. Direkt, wie nur sie das beherrschte. »John!«
»Ich weiß
es wirklich nicht. Oder zumindest noch nicht. Ich denke, unser Peter Eisenring ist
ein wenig auf Tauchstation gegangen. Wer weiß, vielleicht hat er ja etwas Interessantes
zu berichten.« John richtete sich plötzlich auf. »Sieh mal einer an. Ich dachte
schon, Lehen wäre ausgestorben.« Er deutete auf einen älteren Mann mit Mütze, der
eben eines der nahezu identischen Einfamilienhäuser verlassen hatte, um mit einem
Hund eine Runde zu drehen – angesichts des Wetters mit ziemlich missmutigem Gesicht.
»Was ist?«,
fragte Laura.
Anstatt
etwas zu erwidern, stieg John aus. Er zog die Kapuze seines Sportpullovers unter
dem Kragen der Lederjacke hervor und über seinen Kopf. »Entschuldigung«, rief er
dem Mann zu, der stehen blieb und ihm grimmig entgegenstarrte. Der Hund, ein Mischling,
begann leise zu knurren. »Ich suche das Haus von Frau Eisenring.« John lachte. »Leider
weiß ich die Nummer nicht. Können Sie mir helfen?« Der Mann zog die Mütze tiefer
in die Stirn und nickte, sagte aber nichts.
»Welches
Haus ist es?«
»Das dort
drüben«, kam endlich die Antwort, die John längst kannte.
»Besten
Dank. Ich bin nämlich ein Freund ihres Sohnes. Also, Frau Eisenrings Sohn. Peter.«
»Wer? Ach
der. Sie meinen Piet.«
»Genau.
Wissen Sie, ob der zufällig bei seiner Mutter ist? Haben Sie ihn gesehen in letzter
Zeit?«
»Ja, erst
gestern«, entgegnete der Mann, geriet jedoch ins Stocken. »Wollen Sie mich aushorchen
oder was?«
»Ganz und
gar nicht«, rief John fröhlich. »Ich geh dann mal rüber zu den Eisenrings. Danke
für die Auskunft. Ziemliches Sauwetter, was?« Er lief los und spürte, dass sowohl
der Mann als auch Laura ihn beobachteten.
Kaum eine
Minute später saß er wieder hinter dem Steuer. Etwas durchnässt und um ein ergebnisloses
Gespräch reicher. Auf sein Klingeln hatte eine grauhaarige Frau in einfacher Kleidung
die Tür einen Spaltbreit geöffnet. John hatte irgendeinen Namen gemurmelt und erklärt,
er möchte mit Piet sprechen.
»Der lebt
seit Monaten nicht mehr in Freiburg.«
Als John
weitere Fragen stellen wollte, hatte sie die Unterhaltung abgebrochen, indem sie
ihm die Tür vor der Nase zugeknallt hatte.
»Was erreicht?«,
fragte Laura.
»Nein.«
John schob die Kapuze zurück. »Oder sagen wir: vielleicht.« Er betrachtete Frau
Eisenrings Haus. Hatte sich der Vorhang eines dieser dunklen Fenster nicht gerade
eben bewegt?
»Und was
steht als Nächstes an?«
»Genau das
Gleiche.«
»Bitte?«
»Wir werden
ein weiteres Haus observieren.«
»Observieren.«
Laura wiederholte das Wort auf eine Weise, mit der er gerechnet hatte. »Was du nicht
sagst, John.«
»Da fällt
mir ein: Schmetterling.« Er startete den Wagen.
»Was meinst
du damit?«
»Fällt dir
in Bezug auf Schmetterling irgendetwas zu Felicitas ein? Ich weiß auch nicht. Hat
sie als Mädchen vielleicht Schmetterlinge gesammelt? Hatte sie einen Spitznamen,
der …?«
»Nein, John.
Nicht dass ich wüsste. Ich schätze, du wirst mir nicht sagen, warum du diese sonderbaren
Fragen stellst.«
»Noch nicht.«
»Na klar.«
Mit einer harschen Bewegung legte sie den Gurt an. »Dann also los zu unserer nächsten
großen Observierung.«
John fuhr
an, ohne etwas zu erwidern.
»Klingt
ja mächtig spannend.« Das hatte Laura wohl einfach noch loswerden müssen.
Spannend
wird es vermutlich durchaus, dachte John. Er sah das Haus in Herdern bereits vor
sich – und damit unweigerlich verbunden den kräftigen Mann mit dem Messer. Du kommst
ja doch nicht drum herum, sagte er sich, dieses Haus wird dir mit Sicherheit keine
Ruhe lassen. Und
Weitere Kostenlose Bücher