Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
eine Witwe namens Alma Eisenring.« Internet und Telefonbuch hatten für
ganz Lehen nur einmal diesen Namen geführt. Die Frau am Telefon musste Piet Eisenrings
Mutter gewesen sein. Und damit einer von Johns dürftigen Anhaltpunkten.
»Was hat
es mit ihr auf sich?«, bohrte Laura weiter.
»Ich werde
es dir sagen«, versuchte er dagegenzuhalten. »Gib mir einfach ein wenig Zeit. Ich
weiß ja nicht einmal, ob es überhaupt etwas bringt.«
»Hut ab,
Herr Detektiv, Sie können ganz schön hartnäckig sein.«
»Danke.
Und das aus dem Mund einer ausgewiesenen Expertin in Sachen Hartnäckigkeit.« Er
lächelte sie an.
»Weil ich
einfach nicht aufgebe und immer noch in dieser Stadt bin? Ohne auch nur eine Winzigkeit
über Felicitas’ Leben herausgefunden zu haben?«
»Na sicher.«
Sein Lächeln löste sich auf. »Vor allem nachdem klar ist, dass jemand nicht vor
Gewalt zurückschreckt, um dir die Neugier auszutreiben. Denn der Zwischenfall mit
der Dusche – das ist dir klar – muss nicht der letzte gewesen sein.«
»Gerade
deswegen«, erwiderte sie zornig, »will ich wissen, was los ist.«
»Du hast
sie wirklich sehr geliebt, nicht wahr?«
Lauras Blick
löste sich von ihm, richtete sich ins Nichts. »Ich habe ja versucht, es dir zu erklären.«
»Ja, das
hast du.«
»Und dennoch
…« Sie warf den Kopf in den Nacken und seufzte.
»Ja?«
»Wenn ich
ehrlich bin, tue ich das nicht nur für Felicitas.« Unschlüssig hob sie die Hände.
»Irgendwie auch für mich. Selbst wenn es sinnlos ist oder mir nichts einbringen
wird. Aber irgendwie habe ich mich daran festgebissen. Und wenn das erst einmal
der Fall ist …«
»Du hast
einmal so eine Bemerkung gemacht.« John überlegte. »Dass du dein Gleichgewicht verloren
und plötzlich an allem gezweifelt hättest. Schon vor Felicitas’ Tod. Hängt dieses
Festbeißen, wie du es nennst, etwa damit zusammen?«
Sie lächelte
ihn an. Und zwar mit unverhohlener Anerkennung. »Es stimmt also: Du bist tatsächlich
ein guter Zuhörer, John Dietz.«
Die ersten
Regentropfen trommelten auf das Wagendach. In dem Haus war weiterhin nur das eine
Fenster erleuchtet. Keine Gestalt war dahinter zu erkennen, die Straße nach wie
vor wie leergefegt. »Was hast du damit gemeint: das Gleichgewicht verloren?« Diesmal
war es John, der bohrte.
»Ach, ich
weiß selbst nicht recht.« Laura lachte auf, mit traurigem Unterton. »Im Grunde war
alles in Ordnung, ich war zufrieden. So wie immer. Mein Job, mein Haus, jeder Tag
wie der andere. Einmal im Jahr ein größerer Urlaub. Afrika, Asien, Kanada, was auch
immer. Und dann, ganz abrupt, ohne Anlass, betrachtete ich mich im Spiegel und ich
stellte fest, dass ich völlig leer war. Dass nichts von dem, was ich tagtäglich
tat, mir etwas bedeutete. Und aus meiner Zufriedenheit wurde Unzufriedenheit. Stell
dir vor: Ich kündigte sogar meinen Job, einen sicheren, gut bezahlten Job.«
»Das erstaunt
mich wirklich.«
»Nicht so
sehr wie mich selbst. Plötzlich schmeckte einfach nichts mehr wie vorher. Ich stand
in meiner Wohnung und es kam mir vor, als würde eine Fremde hier leben. Verrückt,
oder?«
»So verrückt
nicht«, widersprach er. »Ich denke, diesen Moment hat jeder mal im Leben. Wenn alles
stillsteht. Wenn plötzlich ein innerer Zwang da ist, aufzuwachen und etwas zu verändern.«
»Du kennst
dich aus mit solchen Momenten, stimmt’s?«
»Nur, dass
ich sie nicht einmal erlebt habe. Sondern öfter. Sie verfolgen mich sozusagen.«
Er lachte leise. »Ich nehme an, du bist nicht allein nach Afrika, Asien und Kanada
gefahren?«
»Bitte?«,
fragte sie irritiert.
»Hast du
keinen Mann? Ich habe mich nie erkundigt und …« Er setzte neu an: »Du heißt immer
noch Winter, oder?«
»Nicht immer
noch, sondern wieder.« Laura gab abermals ein leises, trauriges Lachen von sich.
»Das kam nämlich zuerst.«
»Ich verstehe
nicht.«
»Bevor ich
meinen Job aufgab, gab ich meinen Mann auf.«
»Du willst
nicht über ihn sprechen, oder?«
»Vor allem
wollte ich nicht mehr mit ihm sprechen. Nach sieben Jahren. Wir hatten uns
einfach nichts mehr zu sagen, nichts außer Plattitüden und Alltäglichem. Es war
tatsächlich so: Ich konnte nicht mehr mit ihm reden, von einem Tag auf den anderen.
Und auch nicht mit meinen Eltern oder Freundinnen. In dieser Zeit begann ich, wieder
häufiger an Felicitas zu denken.« Es folgte ein tiefer Seufzer. »Mir wurde bewusst,
dass wir uns irgendwie verloren hatten. Dann kam der Anruf. Und es stand fest: Nicht
bloß
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