Schmidts Bewährung
kolossale Ungerechtigkeit.
Mit einem kleinen Drink in der Hand, der wie Wodka aussah, stand Canning halb verborgen zwischen einer großen chinesischen Vase und Gil und Mansour, aber er schien nicht an ihrer Unterhaltung teilzunehmen. Dennoch mochte die physische Nähe der beiden ihm Halt geben, wie ein Regal, an das man sich anlehnen, oder wie ein Kunstprodukt an einer Wand, dem man sich eine ganze Weile aufmerksam widmen kann. Schmidt spürte, wie Cannings Blick ihn streifte und schnell weiterwanderte. Das war zu erwarten gewesen. Ohne sich davon abschrecken zu lassen, steuerte er auf die Gruppe zu und schüttelte Gil und Mansour die Hand.
Herzlichen Glückwunsch!
Akzeptiert, danke. Hat Gil dir erzählt, wie wir zusammengearbeitet haben? Das hättest du nicht gedacht, daß so was in mir steckt, oder?
Nein, ich meine: doch, das habe ich schon gedacht.
Pas de problème, man muß sich eben fragen, habe ich Talent, oder ist es nur Willenskraft oder ein verrückter Zufall? Was meinen Sie, Mr. Canning?
Joe, nennen Sie mich bitte Joe. Ich habe keine Ahnung. Ihre Arbeit habe ich nicht gesehen.
Die werden Sie sehen. Gil wird Ihnen eine Einladung zur Premiere verschaffen. Ich will Sie dabeihaben. Ihre Frau soll auch mitkommen. Was Sie meinen, sagen Sie mir dannspäter. Schmidtie kommt auch, hoffentlich mit seiner Freundin. Übrigens, Gil erzählt mir von Ihren Büchern. Sie sollten ihm eine Provision zahlen. Ich habe eins im Flugzeug auf dem Rückweg von der Westküste angefangen, jetzt liegt es bei mir im Büro auf dem Schreibtisch. Wie heißt es?
Das hängt ganz davon ab, welches Sie lesen.
Es handelt von diesem älteren Mann, der ein junges Mädchen vögelt. Ha! Ha! Ha! Das wollen wir ja alle.
Auch Gil lachte.
Davon handeln alle seine Bücher, nur das erste nicht.
Dann will ich das erste nicht lesen. Schmidtie, kennst du Joe? Mr. Canning?
Schmidt und Canning nickten.
Wirklich wahr?
Wir waren alle zusammen im College, erklärte Gil, nur daß Joe jünger ist. Zwei Jahrgänge unter uns.
Ach so. Ein Harvard-Klassentreffen. Ich persönlich war in der New York University, und da habe ich alles gelernt, was ich damals brauchte. Jetzt brauche ich nichts mehr, was ich nicht weiß. Joe, Sie sollten mit Schmidtie über Ihr Lieblingsthema reden. Der ist Experte auf dem Gebiet. Kleine Mädchen vögeln! Sie machen mir Spaß. Gehen wir zu den Damen.
Offenbar war Canning zum selben Schluß gekommen wie Schmidt: Man kam nicht darum herum, ein paar Worte zu wechseln, bevor man sich trennte. Er fand seine Geistesgegenwart als erster wieder und brach das Schweigen. Mein aufrichtiges Beileid wegen Mary. Das hätte ich dir längst sagen sollen.
Wir sind einander nicht begegnet.
Viel versäumt haben wir nicht. Das wenige können wir gleich heute abend nachholen.
Elaine hatte Mr. Mansour zur Rechten und Canning zurLinken; Caroline war Mr. Mansours Tischdame, und für Schmidt blieb der Platz zwischen Caroline und Gil. Cannings abschließende Bemerkung beschäftigte ihn. Wenn er nicht ganz falsch verstanden hatte, war sie unverschämt und gehässig. Und grundlos dazu, oder steckte etwas dahinter? Am liebsten hätte er Caroline gefragt, aber der Tisch war zu klein und Cannings Gehör bestimmt ausgezeichnet. Also sagte er nichts, und sein Schweigen bedrückte ihn. Er ärgerte sich, daß er die Einladung zum Abendessen angenommen hatte. Zwar hätte sich Carrie wohl ohnehin mit Jason getroffen, aber wenn man schon dermaßen isoliert essen und trinken mußte, konnte man auch gleich zu Hause bleiben. Ausgerechnet in diesem Moment wurde eine Beteiligung an der allgemeinen Unterhaltung unnötig und sogar untunlich. Mr. Mansour befragte Canning zur Kunst der Fiktion.
Caroline, murmelte Schmidt im Schutz der Stentorstimme, haben Sie gehört, was Joe zu mir gesagt hat, bevor wir uns an den Tisch gesetzt haben?
Sie nickte.
Ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll. Warum attackiert er mich? Was habe ich ihm denn getan?
Gar nichts. Am besten achtet man überhaupt nicht darauf. Die Hälfte der Zeit weiß er selbst nicht, was er sagt. Vielleicht hat er damit gemeint, daß er lieber zu Hause an seinem Schreibtisch säße. Oder etwas Ähnliches.
Sie lachte.
Entschuldigen Sie, Ihre Meisterwerke habe ich nicht gelesen, das wissen Sie ja, dröhnte Mr. Mansour. Nur den Anfang des Romans, den ich im Flugzeug dabeihatte, und nur, bis ich telefonieren mußte. Elaine sagt, Ihr erstes Buch ist das beste. Meinen Sie das auch?
Kommt es darauf an,
Weitere Kostenlose Bücher