Schmidts Bewährung
weitermachen, nicht nach der vergangenen Nacht. Ein solcher Panzer aus Wut und Bitterkeit, und dabei hatte er geglaubt, sie seien Freunde und voll guten Willens füreinander. Er erledigte seine allmorgendlichen Arbeiten. In der Post lag zwischen Rechnungen und Kontoauszügen ein Brief von Charlotte. Mit dem Lesen wollte er warten, bis er sich hoffentlich wieder beruhigt hatte. Im Hinblick auf dieses Ziel preßte er die Apfelsinen aus und deckte den Frühstückstisch. Dann starrte er auf die Zeitung und wartete.
Endlich erschien sie, mit mürrischem und verquollenem Gesicht, als hätte sie in der Nacht kein Auge zugetan.
Du hast mich nicht geweckt, jetzt hab ich verschlafen.
Ich weiß. Ich dachte, du brauchtest Ruhe.
Schöne Ruhe! Ich müßte in mein Seminar gehen.
Sie aß und trank wortlos. Er schwieg ebenfalls und rauchte eine Zigarre, bis sie fertig war.
Mein Schatz, sagte er, glücklich waren wir gestern nicht beim Einschlafen. Du hast in der Nacht geweint. Könnenwir darüber reden? Versuchen, wieder in Ordnung zu bringen, was falsch gelaufen ist?
Sie zögerte. Dann sagte sie: Ich weiß eben nicht, was ich machen soll, oder so. Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll. Du bist gut zu mir, und, Mensch, Schmidtie, ich liebe dich. Aber alles ist so ein Durcheinander.
Du liebst mich?
Eine dumme Frage, das wußte er wohl, aber er brauchte so dringend Trost, daß er nicht imstande gewesen war, diese Frage zu unterdrücken.
Hm, ja, ich liebe dich. Komm doch mal her.
Sie nahm die Ellbogen vom Tisch, drehte sich auf ihrem Stuhl, bis sie seitlich dasaß, und schüttelte sich den Bademantel von den Schultern, so daß sie bis zum Gürtel nackt war.
Hier in der Küche ist es kuschelig. Komm, du kannst mich küssen und anfassen. Ist doch schon besser, oder?
Sich zu ihr hinabzubeugen war ihm unangenehm, deshalb zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich neben sie. Wenn er doch nur jetzt in ihr versinken, die Spitzen ihrer Brüste in sein Fleisch eindringen lassen könnte. Ihr Mund schmeckte nach den Reis-Crispies mit braunem Zucker, dem Croissant, das sie sich gern bis zuletzt aufhob, der Orangenmarmelade. Du machst mich so glücklich, flüsterte er in ihre krausen Löckchen.
Mir geht’s mit dir auch gut. Scheiße, ich wollte dir nicht weh tun. Ich habe das alles nicht gewollt. Ich weiß nicht, was ich machen soll.
Was meinst du damit, mein Schatz?
Wie mir zumute ist, oder so. Habe ich doch gesagt. Ich liebe dich, du bist gut zu mir gewesen, aber ich bin nicht wie du – und du bist alt. Ich meine, du bist schon okay und gesund und alles, aber, Mensch, Schmidtie, du bist älter als mein Dad. Dann treffe ich Jason, weil du mich zu diesemreichen Knacker mitgenommen hast, für den er arbeitet, und sofort funkt es. Er ist genau der Typ, mit dem ich wirklich zusammensein könnte, und ihm geht’s auch so, und was sollen wir denn jetzt machen? Ich weiß es nicht. Hey, willst du mal sehen, warum ich im Bett einen Schlafanzug anhabe?
Sie steckte die Arme wieder in die Ärmel des Bademantels und knüpfte den Gürtel auf. Sieh mal, sagte sie und zeigte auf die Stelle, wo das Haardreieck anfängt.
Da waren sie, genau über dem Schamhügel, zwei ineinander verschränkte Zeichen, ein blaues C und ein blaues J, mitten in einem roten Herz.
Ich wollte nicht, daß du das siehst. Wir haben es von diesem echt coolen Typ in Riverhead machen lassen, nach dem Triathlon. Jason hat auch eins, nur größer, ungefähr hier.
Sie zeigte auf eine Stelle oben am Bein. Ist doch süß, oder?
Sehr, sagte er. Er fühlte sich seltsam fern von ihr und auch von sich selbst. Das wird man aber sehen, wenn du einen Bikini trägst, glaube ich.
Ja, so ist das gedacht. So wie Ringe, verstehst du.
Sie fing wieder an zu schluchzen und griff nach seinem Taschentuch. Es ist so schwer, Schmidtie, du glaubst es nicht.
Was ist so schwer? Die Liebe?
Was man machen soll – schnallst du das nicht? Also, wenn Jason und ich uns zusammentun wollen, und er hat doch den Job als Chef von Mikes Personenschutz, wie soll das denn mit mir gehen? Ich bin die Freundin von dem Typ, der der beste Freund von seinem Boß ist. Wie sieht das denn aus? Und außerdem, was ich dir schon gesagt habe, ich liebe dich ja noch.
Langsam begriff er. Zwei Liebenden aus der Unterschicht kam ein Oberschicht-Unterschicht-Arrangement in die Quere. Wichtig war es eigentlich nicht, aber er fragte trotzdem: Seid ihr ein Liebespaar, du und Jason? Ich meine: Schläfst du mit ihm?
Nach
Weitere Kostenlose Bücher