Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmidts Bewährung

Schmidts Bewährung

Titel: Schmidts Bewährung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
Vom Netzwerk:
zusammen. Einen Augenblick dachte er daran, sie ins Wohnzimmer zu bringen, wo er fast nie saß – die Bibliothek war ihm lieber –, aber da standen schon genug Erinnerungsstücke aller Art herum. Im Schrank wollte er sie auch nicht mehr haben. Also legte er sie wieder in die Schachtel, ohne sie noch in Papier einzuwickeln, und weil er zu müde war, auf dem Dachboden nach einem passenden Platz zu kramen, brachte er die Schachtel über Nacht in eines der Gästezimmer. Das Zimmer, das ihm von allen am liebsten war, noch lieber als sein eigenes Schlafzimmer, war der Raum, der Charlotte gehört hatte, später hatten Charlotte und Jon es bewohnt; dieses Zimmer lag dem seinen genau gegenüber. Carrie war darin. Er blieb außen vor der Tür stehen. Kein Lichtschimmer, kein Laut. Sie schlief wie ein Baby.
    Sie rief vom College aus an, zwischen zwei Kursen, und erzählte ihm, sie habe Jason erreicht. Mr. Mansour sei in der Stadt und werde im Restaurant essen, also könnten die anderen Typen den Personenschutz machen. Wenn Jason nach Bridgehampton führe, könne er dann vorbeikommen und hallo sagen oder so? Schmidt sagte, ja, das habe er gerade selbst vorschlagen wollen. Hey, kicherte sie, dann bringe ich Pizza mit. Wie in alten Zeiten, weißt du noch? Und ob. Es tat ihm weh, zusehen zu müssen, wie sie jetzt ganz aufgeregt und eifrig ins Haus stürzte und sich den Kopf zerbrach, wie und wo sie den Tisch decken sollte – in der Küche, weil es bloß Pizza gab, oder im Eßzimmer, weil es doch eine besondere Gelegenheit war. Sein Rat: im Eßzimmer, mit dem besten Tischtuch, dem Tafelsilber undKristallgläsern. Das gefiel ihr. Ach ja, wie in alten Zeiten, wie das erste Essen, das sie in seiner Küche verzehrt hatte, zur Zeit seines größten Glücks. Wie wunderbar sie alle ihre Rollen ausfüllten: Schmidt, der gefallene Menschenfresser, und seine Kindfrau, erfahrener als Hekate und rein wie eine Vestalin, ihr Leib frisch gebrandmarkt mit dem Zeichen des Eindringlings, ihr Haar schwer vom Moschusduft und von Geheimnissen, die er in Spasmen unerträglicher Lust hineingeflüstert hatte; und der blonde Held, ausgesandt, den Zauber zu beschwören. Der Junge würde ihn umbringen, genauso wie er, Schmidt, Mr. Wilson umgebracht hatte. Wie die Hinrichtung vollzogen würde, blieb noch zu klären, aber jedes Ding braucht seine Zeit. Wenn er dem Jungen alles erklärte, die Begleitumstände deutlich machte, dann war es vielleicht mit einem einzigen Schlag auf den Hals getan, dem Akt der Barmherzigkeit, mit dem Mr. Mansour sich brüstete, und Hinrichtungsort konnte die Bibliothek sein. Der leblose Körper würde auf das Chesterfieldsofa sinken und dort im Gifthauch der Zersetzung auf den Chor der Trauernden, seine polnischen Putzdamen, warten. Nur daß der blonde Held, zu Recht nach Schmidts Erzählung über alles Erwarten wutentbrannt, vielleicht doch eine andere Todesart wählen mochte: ihm die Hände, die Füße, den Penis abhackte, den Schädel einschlug und alles, was dann noch von ihm übrig war, in den Teich hinter dem Garten warf, zur Freude der Krebse, die sich auf dem schlammigen Grund sammelten. Denn wieviel wußte der Junge? Hatte sie ihm auch von Mr. Wilsons Initiationspraktiken erzählt, von seiner Verwandlung in den »Mann«, den stinkenden Streuner, dem sie bis an sein Ende liebevoll zu Diensten gewesen war? Wieviel konnte Jasons Magen vertragen?
    Mann, Mr. Schmidt, sagte Jason, der hier ist echt gut.
    Besseren Wein gibt’s bei Mr. Mansour auch nicht, glaube ich. Jedenfalls keinen, den ich probiert habe.
    Zum dritten Mal bat Schmidt, er solle ihn doch Schmidtie nennen. Hast du das Wohlwollen des Burschen, minderst du die Lächerlichkeit. Schließlich war er ja nicht der Brautvater.
    Hör mal, Jason, fuhr er fort, es ist schön, daß wir hier alle drei zusammensitzen. Eine sehr gute Entscheidung von dir, mich hier zu besuchen. Du weißt, wie ich zu Carrie stehe. Sie ist gut zu mir gewesen, sie hat mich sehr glücklich gemacht, aber sie ist sehr jung. Daß die Dinge sich einmal ändern würden, habe ich immer gewußt. Ich bin froh, daß du es bist. Ich habe dich bei Mike Mansour beobachtet – während du mich beobachtet hast –, und ich glaube, du bist okay. Alles Gute euch beiden!
    Danke, vielen Dank, Mr. Schmidt.
    Schmidtie. Und wie soll’s jetzt weitergehen? Hast du dir darüber Gedanken gemacht?
    Carrie schaltete sich ein. Pläne haben wir nicht, Schmidtie. Wir sind nur irgendwie zusammen.
    Bitte, laß Jason

Weitere Kostenlose Bücher