Schmidts Einsicht
Kooperation, die wahrhaftig schwierig werden würde: Er denke an einen Film auf derGrundlage von Joes erstem Buch, dem Roman, der ihn sofort berühmt gemacht hatte.
Das wird die Hölle, sagte Mr. Blackman. Das Buch handelt von einer Frau namens Magda, die mit ihren Eltern aus Weißrußland emigriert, genau wie Joes Großmutter. Deren Familie ließ sich in Minnesota nieder, die Familie Magdas geht nach South Dakota. Von da an sind die Geschichten der beiden Frauen sehr ähnlich, mit dem einen interessanten Unterschied, daß die Großmutter Jüdin war und Magda eine Schickse ist! Joe sagt immer, daß er Magdas Geschichte erfunden hat, daß sie nicht die Geschichte seiner Großmutter ist. Nur die Grundzüge seien gleich. Du kannst dir vorstellen, wie diese Haarspalterei bei Journalisten und anderen Interviewpartnern ankommt, die überzeugt sind, daß er eine kaum verfremdete wahre Geschichte der Großmutter geschrieben hat. Wahr oder nicht, klar ist, daß Magda Dinge tut, die Joe seiner geliebten Großmutter kaum zugestehen kann. Aber wenn sie erfunden sind, wäre der Mistkerl noch gestörter, als wir uns vorstellen können. Wenn sie wahr sind, ist seine Indiskretion monströs. Das Verhältnis von Fakten und Fiktionen ist schon kompliziert genug, und dazu kommt noch die Sache mit dem Namen Canning. Er hat nicht viel mit dem Namen seiner weißrussischen Schtetl-Vorfahren väterlicherseits gemein und wurde von keinem seiner Vettern angenommen. Wie es seine Geschwister damit gehalten hätten, weiß man nicht, denn er hat keine. Eins muß ich ihm allerdings lassen: Nachdem er viel häufiger und viel länger, als ihm lieb war, mit den Fragen belästigt worden war, ob das Buch eine romanhafte Biographie seiner Großmutter sei und was es mit seinem angelsächsischen Namen auf sich habe, hat er sich endlich auf eine Antwort besonnen, die ehrlich klingt: Er sagte, er möchte nicht ausschließlich als jüdischer Romancier angesehen werden. Meiner Meinung nach ist das nur recht und billig. Wer möchte schon im Schatten von Bellow und Roth stehen?
Abschließend sagte Mr. Blackman: Die Würfel sind gefallen. Ich habe mit Mike gesprochen, und er ist heiß auf das Projekt. Jetzt gibt’s kein Zurück mehr.
Das ist wunderbar, sagte Schmidt. Ich hoffe, es kommt so gut an wie Die Schlange und Chocolate Kisses .
Das hoffen wir beide. Jetzt habe ich noch eine andere Neuigkeit für dich. Schnall dich an und mach die Ohren auf. Das Harvard Magazine liest du wohl nicht. Oder?
Schmidt schüttelte den Kopf. Kann es nicht mehr leiden. Seit sie das Format geändert haben.
Das war vor hundert Jahren. Also, ich lese es, hauptsächlich wegen der Jahrgangsnachrichten. Rätst du, was ich über unseren Jahrgang gelesen habe?
Wieder schüttelte Schmidt den Kopf.
Serge Popov ist tot. Letzten Juni gestorben. In Paris. Vom Fahrrad gefallen. Hatte keinen Helm auf. Bumm, bumm: Tot ist er.
Meine Güte, sagte Schmidt.
Schmidtie, dieses meine Güte und lieber Himmel und oje, oje, das steck dir bitte sonstwohin. Es ist deine letzte Chance, du alter Trottel. Finde heraus, ob Alice frei ist, ob du sie noch magst und ob sie dich ertragen kann, das bist du dir schuldig.
Gil, danke für diese Nachricht. Aber such nicht nach einem Hollywood-Ende, laß das. Du weißt doch noch, daß Alice und ich uns nicht im Guten getrennt haben. Du verlangst von mir, daß ich mich noch mehr zum Narren mache. Schickst mich los, ihr einen alten Trottel anzubieten samt dem Vergnügen, die letzten zehn Jahre seines Lebens mit ihm auszuhalten. Dem Angebot wird sie widerstehen können, jede Wette.
Wieso zehn? Was hält dich ab, am Leben zu bleiben, bis du fünfundneunzig bist?
Das würde alles nur noch schlimmer machen.
XXIV
Bist du ein Aasgeier oder einer von diesen pauvres types , so ein Loser, der keine Beerdigung auslassen kann? fragte Alice Schmidt, als er sie endlich zu Hause erreichte. Ihre Stimme klang so harsch wie ihre Worte. Er hatte ihre Nummer tagelang vergeblich gewählt und nie eine Nachricht hinterlassen. Du hattest gehört, daß Tim tot ist, und schon warst du da. Jetzt ist der arme Serge tot, und prompt meldest du dich wieder. Was bist du für ein Mann?
Ein todtrauriger. Ein Mann, der sich vor vielen Jahren in dich verliebt hat und nun eine zweite Chance braucht. Bitte, gib sie mir. Bitte sag, daß ich dich besuchen darf.
Ich sehe nicht ein, warum.
Ich möchte nach Paris kommen und dir erklären, warum. Bitte, erlaub es. Das kann doch unmöglich Schaden
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