Schmidts Einsicht
besser, sagte Schmidt, aber kaum waren ihm die Worte entschlüpft, entsetzte ihn seine eigene Dummheit.
Nach dem Essen zogen sie in die Bibliothek um, da Alice sein Angebot, ihr beim Abwaschen zu helfen, abgelehnt hatte. Wir überlassen das Aufräumen Madame Laure, sagte sie. Schau nicht so schockiert. Es wäre anders, wenn ich einen Hund oder eine Katze hätte, hab ich aber nicht, und ihr macht die Arbeit nichts aus. Sie kommt so früh von ihrer Tochter zurück, daß sie reichlich Zeit dafür hat. Aber ich wollte dir von meiner Arbeit erzählen.
Sie setzte sich auf das Sofa und dirigierte ihn auf den Sessel schräg gegenüber.
Alice, unterbrach er sie, ich wünschte, du würdest mir erst erklären, wie ihr, du und Tim, oder du, Tim und Bruno, zusammengelebt habt, als du Bescheid wußtest. Kam Tim zum Abendessen nach Hause? Habt ihr miteinander gesprochen? Habt ihr Gäste eingeladen, zum Beispiel zum Essen? Angenommen, ich wäre in Paris aufgetaucht. Was wäre geschehen?
Schmidtie, sei nicht albern. Alles ging weiter wie zuvor, nur daß ich nicht mit Tim schlief und daß sich nichts abspielte als Küßchen auf die Wangen, wenn es sein mußte. Wenn du nach Paris gekommen wärst, hätte Tim dich zum Dinner eingeladen, und wenn du nicht ausdrücklich gesagt hättest, du wollest mit uns allein sein, hätten wir auch andere Leute dazugebeten – aus dem Büro oder vielleicht aus der Botschaft. Er hätte seinen besten Wein dekantiert und darauf geachtet, daß ich den besten Räucherlachs von Petrossian bestelle. Wirklich, unser Arrangement war zwar zersetzend, aber im Alltag nicht allzu ungewöhnlich oder unangenehm. Vergiß nicht Tims wundervolle Manieren. Für Bruno galt das auch, und er war charmanter als alle Männer, die ich kenne – bis auf meinen Vater. Aber er ist fast so charmant wie Vater. Es gibt viele Ehepaare, deren Zusammenleben ganz comme il faut wirkt und die sich stillschweigend einig sind, daß der Mann oder die Frau oder beide ihr Sexleben anderswo führen. Nur daß Tim schwul war, gab der Sache einen Hauch von Originalität. Nein, ich mache die Katastrophe nicht zum Witz, fügte sie hinzu, als sie seinen gepeinigten Gesichtsausdruck sah, ich versuche nur, dir ein klares Bild zu geben.
Danke, sage Schmidt, vielen Dank, mir ist klar, daß es solche Ehen gibt.
Aber sie passen dir nicht, und das Wissen, daß es sie gibt, macht dich unglücklich, sagte sie. Vielleicht kann ich dich aufheitern. Ich erzähle dir von meiner Arbeit, die mir über die schlimmste Zeit hinweggeholfen hat. Ohne sie hätte ich den Verstand verloren. Ich hatte großes Glück, überhaupt eine Stelle zu finden, und das so kurz nach jenem Sommer. Sie lieferte mir einen Grund, aus dem Haus zu kommen und ins Büro zu gehen. Mit anderen Leuten zusammenzusein. Wie viel sie mir damals bedeutete, ist kaum zu beschreiben. In den ersten sechs Monaten wares nur eine Teilzeitstelle, aber danach habe ich ganztags gearbeitet, so wie jetzt. Und Tommy fand es in Ordnung, er drängte mich sogar dazu. Sonst hätte ich den Job nicht angenommen. Er kam nicht lange vor mir von der Schule nach Hause, so konnte ich ihm an den meisten Abenden bei den Hausaufgaben helfen – und einfach dasein. Bei der Mathematik war ich natürlich keine Hilfe, konnte nicht einmal kontrollieren, was er gemacht hatte, und Tim genausowenig, aber Tommy brauchte keine Unterstützung.
Das verstehe ich, Alice, wirklich, versicherte er. Apropos Arbeit: Ich weiß nicht mehr, ob ich dir gesagt habe, daß mein Flug morgen erst später am Nachmittag geht, so daß wir zusammen Mittag essen könnten. Möchtest du das? Ich fand es schade, daß wir uns heute mittag nicht gesehen haben.
Ich möchte gern, erwiderte sie, aber ich kann nicht. Morgen esse ich mit dem Kollegen zu Mittag, der für die amerikanische und englische Gegenwartsliteratur zuständig ist. Er ist mehr als ein Kollege; er hat mir die Stelle verschafft! Wenn er nicht gewesen wäre, hätten sie mich nie genommen! Ich hatte keine Berufserfahrung im Verlagswesen, genaugenommen hatte ich nie einen richtigen Job! Aber er hat mir vertraut. Übrigens war er auch am Harvard College, und er sagt, er kennt dich. Ich habe heute deinen Namen erwähnt. Es ist Serge Popov, sagte sie lächelnd.
Serge Popov! Der Name tauchte aus den Tiefen der Zeit auf wie das Ungeheuer aus dem Loch Ness. Ja, an Popov erinnerte er sich, und er erinnerte sich, daß er den Mann nicht leiden konnte. Ach wirklich, antwortete er.
Sein Gesicht hatte
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