Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
Vom Netzwerk:
Klassenunterschied. Dieses Kind des American Dream konnte den Abstand zwischen einer puertoricanischen Kellnerin und einem angejahrten millionenschweren WASP nicht vergessen. Carrie mit ihrem erstaunlichen Gespür für Kastenzugehörigkeit, ihrer schwanengleichen Schönheit, ihren angeborenen exquisiten Manieren und der Sensibilität einer Prinzessin! Aber damals, als er solche Reden geführt hatte, lebten Carrie und er zusammen. Alice und er kannten einander kaum!
    Leite mich an, Alice, sagte er. Nimm hin, daß ich mich in dich verliebt habe. Erklär mir, wie ich der Deine werden und dich für mich gewinnen kann.
    Eine Möglichkeit ist, daß du nicht protestierst, wenn ich nach Hause gehe, sobald ich den Kaffee getrunken habe, sagte sie und fügte hinzu, nein, du mußt mich nicht nach Hause bringen. Der Portier in der Lobby wird mir ein Taxi rufen. Oder vielleicht gehe ich auch zu Fuß – um wieder einen kühlen Kopf zu bekommen.
    Und morgen? fragte er. Können wir mittags oder abends oder beide Male zusammen essen? Ich weiß nicht, ob ich dir erzählt habe, daß ich übermorgen nach New York fliegen muß. Mr. Mansour ruft. Ich muß an der Aufsichtsratssitzung der Stiftung teilnehmen, die für den Tag danach geplant ist.
    Schmidtie, lachte sie, ich habe auch einen Job, wußtest du das nicht? Ich muß morgen im Büro sein.
    Er hatte es nicht gewußt.
    Das konntest du auch nicht.
    Am Mittag habe sie ein Arbeitsessen mit einem deutschen Autor. Sie arbeite als Lektorin in einem der berühmtesten französischen Verlage, erklärte ihm Alice kurz, der zeitgenössische deutsche Roman sei ihr Spezialgebiet. Dasie in Bonn zur Schule gegangen sei, fühle sie sich in dieser Sprache ganz zu Hause, und das habe ihr den Einstieg in das französische Verlagswesen erleichtert. Das Interesse an deutschen Romanciers sei groß, und nur wenige Lektoren beherrschten Deutsch so gut wie sie oder seien zweisprachig mit Französisch und Englisch aufgewachsen. Vielleicht zur Zeit kein einziger. Aber am Abend könne sie mit ihm essen, in ihrer Wohnung.
    Dann stand sie auf und erwartete heiter lächelnd seinen Kuß. A demain , sagte sie – um acht!

VI
    Es war Madame Laures freier Tag, wie er erfuhr. Sie verbrachte die Sonntage vom Nachmittag an und die Montage bei ihrer verheirateten Tochter in Courbevoie in der Nähe von Paris und kam am Dienstag früh wieder zur Arbeit.
    Ich habe der Versuchung widerstanden, dir kaltes Roastbeef oder kaltes Huhn zu servieren, sagte Alice noch und bot ihm einen Drink an. Magst du Käsesoufflé? Sag lieber ja, denn das gibt es heute abend.
    Er glaubte eine andere, eine entspannte, heitere Alice zu sehen, so heiter, wie sie ihm vorgekommen war, als sie ihn in seiner Hotelsuite geküßt hatte, bevor sie ging – und sie war offenbar stolz auf ihre Kochkünste. Der Wein, den sie einschenkte, war so gut wie der, den er ausgewählt hatte, als sie beim Zimmerservice bestellt hatten, vielleicht sogar besser, aber es war ein Bordeaux, deshalb hinkte der Vergleich. Der Keller des armen Tim, dachte er sich, aber sie erklärte ihm, daß diese besondere Flasche von ihrem Vater kam. Er hatte sehr viel Wein gelagert, und als er die Wohnung in der Rue du Bac verkaufte, überließ er ihr die Hälfte seiner Bestände. Tim scheute sich, den Wein meines Vaters zu trinken, sagte sie, man mußte ihn dazu zwingen, daß er mich Jahrgänge auftischen ließ, die nicht warten konnten. Er verlangte sogar, daß ich meinen Wein abstoße. Er kaufe und lagere mehr als genug. Das fing an, als wir nach Paris zogen, schon bevor mein Vater herausfand, daß Tim schwul war, aber trotzdem vermute ich, daß es an seinen Schuldgefühlen lag. Er hatte noch mehr Ideen, die ich mir nicht anders erklären kann, denn sie liefen alle darauf hinaus, daß er nichts von mir annehmen wollte. Zum Beispiel paßte es ihm nicht, wenn ich ihm ein Geschenk machte, das mehr kostete als ein Buch oder eine Krawatte. Seine Geschenke für mich waren extravagant. Und sehr schön. Schau dir zum Beispiel dieses Armband an!
    Das Armband an ihrem Handgelenk sah aus wie schwarze Spitze.
    Es ist Eisen, sagte sie, Berliner Eisenschmuck vom Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. Diese Stücke sind selten, aber Tim schenkte mir mehrere davon, immer wenn er eins fand. Es war keine Lüge, daß er mich liebte; er sagte die Wahrheit. Wenn ich mich nur in einen Mann hätte verwandeln können – was sage ich –, wenn ich nur als Mann auf die Welt gekommen wäre!
    So gefällst du mir

Weitere Kostenlose Bücher