Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
Vom Netzwerk:
gesagt hatte? Hier stand nicht Lews Wort gegen Alices, es war viel weniger, nur Lews Meinung. Nach Schmidts Erfahrung wäre Lew nicht der erste Anwalt, der überzeugt war, großes psychologisches Einfühlungsvermögen zu besitzen. Für das Gerede über Alices Tröstungen galt das gleiche. Vielleicht stimmte es. Der Gedanke, daß es so war, schmerzte ihn wegen seiner Gefühle für sie, aber sie hatte weder gesagt noch angedeutet, daß sie Tim in all den Jahren treu geblieben sei. Wenn Lew mit den Tröstungen recht hatte, wurde sie dadurch noch nicht zu einer Lügnerin.
    Auf dem Anrufbeantworter waren keine Nachrichten. Mitternacht, also sechs Uhr morgens in Paris. So früh wollte er nicht anrufen und auch nicht noch zwei oder drei Stunden warten, dazu war er wirklich zu müde. Und selbst wenn er es nicht wäre, konnte sie doch rechnen. Sie würde wissen, wie lange er aufgeblieben war, um mit ihr zu sprechen, und sie würde merken, wie schwer er es genommen hatte, sie nicht zu Hause anzutreffen und vergeblich auf einen Rückruf zu warten. So wollte er nicht von ihr wahrgenommen werden. Es reichte, wenn er sie morgen anrief, wahrscheinlich von seinem Haus in Bridgehampton aus.

VIII
    Mr. Mansour, der Kopfhörer trug, um das wahnsinnig laute Rattern des Hubschraubers auszublenden, gab Schmidt zu verstehen, er werde die Intercomfunktion ausschalten, die ihnen ermöglicht hätte, miteinander oder mit dem Piloten zu sprechen. Statt dessen vertiefte er sich sofort in ein Schriftstück, das Schmidt am Deckblatt erkannte: ein Handelsbuch, bereitgestellt von der institutionellen Investorengruppe einer Bank, die er gut kannte; sie hatte für Versicherungsgesellschaften, seine früheren Mandanten, viele Kreditvorschläge ausgearbeitet. Chef der Gruppe war ein Mitstudent Schmidts aus dem College, ein Harvard-Goldjunge, zweimal geschieden, das zweite Mal so lautstark, daß es ihm gelang, im Streit um die Scheidung die Regel zu widerlegen, nach der dieses Edelmetall seinen Glanz nicht verliert. Schmidt faltete seine Times auseinander. Immer noch keine Verdächtigen im Fall Oklahoma City, aber ein paar »nicht namentlich genannte« Experten konzentrierten sich auf die Ähnlichkeit mit dem Bombenanschlag auf das World Trade Center im Jahr 1993 und auf mögliche Verbindungen zu militanten Islamisten. Das verlieh den Bemerkungen des Direktors, den Mike abgekanzelt hatte, eine gewisse Glaubwürdigkeit. Zu schade, daß der arme Kerl nicht genug Mut gehabt hatte, sie zu verteidigen. Welche Risiken wäre er eingegangen? Hätten ihm neue Zurechtweisungen gedroht, ein Wink, er möge sich aus dem Vorstand zurückziehen, und damit der Verlust des Honorars, das auf relativ bescheidene vierzigtausend pro Jahr festgesetzt war? Es sei denn, er hatte noch offene Geschäfte mit einer von Mikes Gesellschaften – indem Fall konnte er darauf zählen, daß Holbein, wenn nicht der Finanzmagnat persönlich, ihm einen Strich durch die Rechnung machen würde. Schmidt faltete die Zeitung zusammen und kämpfte gegen die Müdigkeit. Sie waren am Sund entlang nach Osten geflogen. Der Pilot änderte den Kurs, der Hubschrauber begann unter einem wolkenlosen Himmel der Atlantikküste zu folgen. Schmidt zwang sich zur Aufmerksamkeit, und er hatte den Eindruck, daß sich ihm, all den stattlichen Häusern samt Schwimmbädern, den Parkplätzen neben städtischen Stränden und einem Labyrinth von Straßen zum Trotz, immer noch die frische grüne Brust der neuen Welt enthüllte, so wie einst den holländischen Seefahrern, die sie mit ihren Wundern in Erstaunen versetzte. Der Hubschrauber flog über Mr. Mansours Anwesen am Strand, dann über Schmidts weiter im Inland gelegenes, durch einen Teich vom Meer getrenntes Haus. Wieder ein paar Minuten später und nach einer Kurskorrektur landete die kleine Maschine auf der Piste. Der Kopilot öffnete die Luke und half Mr. Mansour und Schmidt beim Aussteigen. Der andere Rolls des Finanzmagnaten, ein cremegelbes Kabrio, stand nur ein paar Schritte entfernt. Mike winkte den Fahrer auf den Rücksitz, setzte sich selbst ans Steuer, wartete, bis Schmidt den Sicherheitsgurt angelegt hatte, und fuhr geruhsam nach Water Mill.
    Du hast im Fabien’s eine gute Party verpaßt, erzählte er Schmidt. Enzo war in Hochform – wie immer, wenn wir zusammen sind, er weiß, daß mir sein Fortkommen am Herzen liegt und daß ich tue, was ich kann, und das ist eine ganze Menge, um seine Karriere zu fördern –, und seine Freundin ist spitze. Bei

Weitere Kostenlose Bücher