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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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und dann kommst du zurück, um das Baby in New York auf die Welt zu bringen?
    Nein, das wohl nicht. In Hudson, ungefähr elf Kilometer entfernt, ist eine sehr hübsche, moderne Klinik. Wenig Streß, keine Hetze. Sie unterstützen die Arbeit mit Hebammen und das Stillen, und das ist mir recht. Du kannst das Baby besuchen kommen, wenn es da ist.
    Ich verstehe, sagte Schmidt. Also gut, danke, daß du es mir erzählt hast. Viel Glück. Melde dich wieder.
    Dann setzte er sich wirklich und wünschte, es wäre später am Tag, schon Sonnenuntergang. Er brauchte einen Drink. Er machte sich Gedanken über sein Bedürfnis und die Tageszeit, da aber niemand auf dem Grundstück war, der ihn hätte tadeln können, holte er den Bourbon aus dem Schrank für die Alkoholika und den Liter Milch aus dem Kühlschrank und mischte sich einen sehr steifen Drink, zur Hälfte Milch und zur Hälfte Alkohol. Das Getränk besänftigte ihn. Für einen Anruf bei Gil Blackman war es noch zu früh. Er wartete eine halbe Stunde ab, riefin Gils New Yorker Büro an und erfuhr von der Sekretärin, daß Mr. Blackman in seinem Landhaus in Wainscott sei. Sie werde Mr. Schmidt mit ihm verbinden. Die vertraute Stimme rief: Schmidtie, das ist ja fabelhaft! Bist du in Bridgehampton, oder rufst du aus Charkiw an? Wenn du hier bist, möchtest du mit mir essen? An der üblichen Stelle? Um eins?
    Darauf hatte ich gehofft, erwiderte Schmidt. Also bis eins.
    Die polnischen Putzfrauen machten Lärm im Haus, mit dem Staubsauger und mit ihren lauten Stimmen. Schmidt nahm einen Pullover mit, nur für alle Fälle, und ging zum Strand. Wie häufig im Mai, wenn der Mond im letzten Viertel ist, plätscherten die Wellen träge gegen das Ufer, wie an einem See. Kein Mensch war zu sehen, keine Fußspur auf dem leuchtend weißen Sand. Schmidt lief bis Gibson’s Lane, sah auf die Uhr und kehrte um. Um zwölf war er zu Hause.
    Das Blinklicht zeigte an, daß auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht war. Jon Rikers Stimme mit der Bitte um Rückruf im Büro. Er wiederholte die Nummer. Gut möglich, daß Jon Frieden schließen wollte, allgemein gesehen keine schlechte Idee und unter praktischen Gesichtspunkten notwendig, jetzt da ein Enkelkind zu erwarten war. Riker ging sofort ans Telefon und sagte nichts. Schmidt, selbst um Worte verlegen, brachte seine Glückwünsche zum Ausdruck. Da Riker weiter schwieg, erzählte er ihm, wie schade es sei, daß er einen wunderbaren Maisamstag im Büro statt mit seiner schwangeren Frau zubringe.
    Das entlockte Jon eine Antwort: Nicht zu ändern, schlechte Zeiten für Anwälte, also müssen wir alle kämpfen. Du solltest dankbar sein, daß das nicht für dich gilt; zu deiner Lebensweise würde es nicht passen.
    Dumm und boshaft, was er da redet, dachte Schmidt, erlaubte sich aber nicht, verärgert zu sein. Er sagte nichts. Das Schweigen hatte Wirkung, und Riker sprach wieder.
    Ich hatte einen Grund für meinen Anruf, Al. Es geht um deinen Enkel. Was gedenkst du für ihn zu tun?
    Riker wußte ganz genau, daß Schmidt es haßte, Al genannt zu werden. Warum machte er das, und was wollte er? Ruhig antwortete er: Kannst du mir erklären, was du damit meinst?
    Al, du mußt doch wissen, was ich meine. Wirst du einen Fonds für Myron einrichten, mit Geld dafür sorgen, daß der Kleine aus eigener Kraft segeln kann?
    Also das war es. Der Mann war ein Schwein.
    Aha, sagte Schmidt, und was soll das heißen, aus eigener Kraft segeln? Daß er seine Rechnungen selbst bezahlen kann? Willst du ihm Essen und Miete in Rechnung stellen und das Geld für seine Besuche beim Kinderarzt verlangen? Mir war nicht klar, daß du pleite bist.
    Jesses, Al, stell dich nicht dumm. Ich rede nicht von Essen und Miete und regelmäßigen Arztbesuchen. Hast du nicht gehört, wieviel Kinderfrauen kosten oder die Vorschule oder der Kindergarten, die Grundschule und die High School? Vom College und der Law School oder Medical School ganz zu schweigen!
    Ich will es deutlicher sagen: Verdienst du so wenig, bist du so pleite, daß du deine Familie nicht ernähren kannst?
    Soll das komisch sein? Du weißt, daß meine Eltern in Geldnot sind. Meine Mutter sagt, daß sie es dir erzählt hat. Also helfe ich ihnen. Tue, was nötig ist.
    Eine lähmende Müdigkeit drückte Schmidt nieder.
    Paß auf, sagte er, ich kann mir nicht helfen, ich muß mich fragen, wer von euch sich diese Forderung ausgedacht hat – wenn es eine Forderung ist –, dein Vater, deineMutter, du oder Charlotte, und ich

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