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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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genauso ist es. Aber selbst wenn du einen zauberhaften Abend lang dem Charme von Danutas kleiner Schwester erliegen solltest, wäre das nicht das Ende der Welt. Nicht, wenn du sehr diskret damit umgingest und Alice nichts merken würde. Erinnerst du dich an Rigoletto , den Film, den ich vor Jahren gemacht habe?
    Natürlich, ein großartiger Film.
    War nicht schlecht. Also, ich denke daran, wieder Opern zu verfilmen. Mein nächstes Projekt wird Cosí fan tutti sein –!
    Sie wollten Nachtisch bestellen, und da es spät geworden war, schien es richtig, dem Rat der Kellnerin zu folgen: Rhabarberkuchen. Kaffee später.
    Jetzt ist Zeit für die komische Einlage zur Entspannung, sagte Schmidt. Ich hatte ein bizarres Mittagessen mit Alice und deinem alten Kumpel Popov.
    Mr. Blackman hörte sich Schmidts Schilderung an und sagte: Popov, Popov, gegen den hattest du schon immer etwas. Sehr überraschend, da Herr Albert Schmidt doch so tolerant, vorurteilsfrei und durch und durch rational ist! Was hast du gegen ihn, außer daß er nicht oft genug badet oder die Unterwäsche wechselt?
    Außerdem ist er ein aufgeblasener Wichtigtuer, das mußt du noch dazusagen. Und noch etwas hast du vergessen: Erst drängt er Alice, dieses Mittagessen zu dritt an meinem letzten Tag in Paris zu organisieren, als ich gehofft hatte, mit ihr allein zu sein, und dann läßt er Alice auch noch bezahlen. Und dieses Gerede von der Ehe mit einer Frau aus dem Hochadel! »Verschon mich mit dem Quark«, hätten die Kids in der Poststelle bei W & K gesagt!
    Armer Popov! Das ist Teil des Problems: Er ist arm. Seine Frau – Chantal? Ghislaine? Isabeau? Einen von diesen komischen Namen hat sie – ist die Tochter eines Herzogs.
    Solange.
    Richtig: Solange heißt sie. Sie ist die Tochter eines Herzogs, der arm ist, und einer Herzogin, die säckeweise Geld hat. Ein Glück, daß Popov diese Quelle anzapfen kann, denn Solanges Pflege kostet ein Vermögen. Sicher: Er genießt es, daß er eine riesige Wohnung im Herrensitz des Herzogs in der Rue de Lille hat und Ferien im herzoglichen Schloß machen kann und so weiter, aber er selbst besitzt wirklich keinen Pfennig. Deshalb sind er und Solange immer noch zusammen. Geld und Immobilien, nicht die Kinder, kitten Ehen. Nicht, daß er mir besonders leid täte. Als ich ihn das letzte Mal gesprochen habe, vor vier oder fünf Jahren, hat er mir erzählt, daß er eine Frau nebenher hat. Wer sie ist, hat er nicht gesagt, nur daß er sie ganz fabelhaft findet.
    Und die junge Herzogin? Hat sie nichts dagegen?
    Wer weiß? Sie war schon kurz nach der Geburt des zweiten Sohnes gelähmt. Kann man mit jemandem, der von der Gürtellinie ab gelähmt ist, Sex haben? Keine Ahnung. Vielleicht geht es ganz fantastisch. Ich vermute eher, sie findet es ganz natürlich, daß Popov anderswo auf seine Kosten kommt.
    Wahrscheinlich hast du wie immer recht. Jetzt habe ich noch etwas Neues aus der Familie: Charlotte hat mir heute morgen mitgeteilt, daß sie schwanger ist; im September soll das Baby kommen, ein Junge!
    Fantastisch. Glückwunsch! Wenn ich das Elaine erzähle! Diese Neuigkeit plus Alice – sie wird einen Freudentanz aufführen!
    Ihr seid meine besten und liebsten Freunde.
    Schmidts Stimme brach.
    Der Kleine wird Myron heißen. Wie Jons Vater. Das ist mir recht. Aber laß dir von meinem Gespräch mit Jon erzählen. Und, bitte, sag Elaine nichts davon. Du verstehst schon. Ich muß mit dem Kerl auskommen. Eines Tages fangen er und Charlotte vielleicht wieder an, mich gelegentlich zu besuchen.
    Mr. Blackman hörte sich die Schilderung des Telefongesprächs an und nickte.
    Scheußlich, sagte er. Jon ist ein Scheißkerl. Komm heute abend zum Essen zu uns.
    Erst gegen vier Uhr war Schmidt wieder zu Hause. Er wählte Alices Nummer – auf gut Glück. Niemand ging ans Telefon. Sie mußte in Antibes sein. Sy wollte spielen und danach einen Leckerbissen.
    Schmidt auch. Er würde vor dem Dinner mit Gil und Elaine ein wenig schlafen.

XI
    Sechs Stunden Zeitunterschied. 12 Uhr östlicher Sommerzeit = GMT + 1 Stunde; Mittag in Bridgehampton, sechs Uhr nachmittags in Paris. Schmidt war diese Rechnerei allmählich leid, tagtäglich hatte er sie in letzter Zeit wiederholt, allzu häufig. Er machte eine Liste, um den Überblick über seine Anrufe zu behalten. Samstag nachmittag gegen vier, also zehn Uhr abends in Paris. Alice geht nicht ans Telefon. Sonntag morgen zehn Uhr, deshalb vier Uhr nachmittags, wieder nichts, also ist sie noch nicht aus

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