Schmidts Einsicht
glaube, es ist mir ziemlich egal. Du ermüdest mich. Der Ärger mit dir nimmt kein Ende.
Himmel, Al, du gehst zu weit, du bist außerhalb der Schutzzone!
O je, dachte Schmidt, wo hatte Jon denn diesen Ausdruck aufgeschnappt, ausgerechnet den Lieblingsspruch des leitenden Partners von W & K, der Jon gefeuert hatte?
Halt den Mund, fuhr er Jon an. Ich sage dir die Wahrheit. Jetzt hör mir gut zu, und nimm meinetwegen auf Band auf, was ich dir sage. Erstens: Charlotte ist meine Tochter und meine natürliche Erbin. Wenn sie mich nicht auf die Palme bringt – was du und deine Eltern sagen oder tun, läßt mich ziemlich kalt –, wird sie nach meinem Tod Geld erben. Ich sage nicht all mein Geld; sie hat schon eine Menge von mir bekommen. Zweitens: Charlottes Kinder werden die natürlichen Empfänger meiner Großzügigkeit sein. Genau das meine ich: natürliche Empfänger meiner Großzügigkeit. Ich schließe nicht aus, daß ich – abhängig von deiner und Charlottes Finanzlage – die Kosten für die Vorschulen und Schulen eurer Kinder mittrage, und was sonst noch anfällt. Die Ferienlager hast du vergessen: Ja, ich helfe auch bei den Gebühren für die Ferienlager. Aber ich lasse mich weder von dir noch von Charlotte dazu drängen, dem kleinen noch nicht geborenen Myron oder einem anderen zukünftigen Kind Geschenke zu machen, die jetzt noch nicht notwendig sind und mörderisch hoch besteuert werden. Hast du von der Schenkungssteuer gehört? Warum sollte ich unnötige Steuern zahlen und damit mein Geld zum Fenster hinauswerfen? Wenn es an der Zeit ist, werde ich großzügig sein, aber jetzt ist es noch nicht soweit. Daß du deine Eltern unterstützen mußt, ist Teil deiner Finanzlage, und ich werde es mit berücksichtigen.Daß sie Probleme haben, tut mir aufrichtig leid. Heutzutage Psychoanalytiker zu sein und nicht dafür bezahlt zu werden ist bestimmt kein Vergnügen.
Danach legte Schmidt den Hörer auf. Das war das erste Mal, daß er ein Telefonat mit einem Familienmitglied abgebrochen und eins der äußerst seltenen Male, daß er, abgesehen von Kaltanrufen, überhaupt den Hörer mitten im Gespräch aufgelegt hatte.
»Die übliche Stelle« war das O’Henry’s, wo Carrie Kellnerin gewesen war und wo Schmidt sich ehemals gezwungen gesehen hatte, die Aufmerksamkeit der überalterten und aus der Form geratenen Literatenwitwen zu vermeiden, die regelmäßig dort zu Mittag aßen. Es war das Lokal, das für ihn und Mr. Blackman zum gewohnheitsmäßigen Treffpunkt geworden war, weil die Hamburger und Steaks ihnen schmeckten und der Wein, wenn sie die überteuerten Preise zahlten, Mr. Blackmans strengen Maßstäben genügte. Der große Filmemacher saß schon an dem Tisch, der ihnen dank seines weltweiten Ruhms und auch dank Schmidts Status als Carries ehemaligem Gönner zustand. Gleichzeitig breiteten sie die Arme aus und fielen einander um den Hals, als folgten sie einer Choreographie. Seit Schmidts erstem Aprilbesuch in Paris hatten sie sich nicht mehr getroffen. Mr. Blackman hatte eine kleine Fernsehserie, eine Adaptation des Romans Der scharlachrote Buchstabe, gedreht, die im Herbst gesendet werden sollte. Sie begrüßten sich lautstark – schön, daß man sich mal wieder sieht! –, so daß es in dem halb leeren Restaurant widerhallte. Sie bestellten eilends.
Wie war’s? fragte Schmidt.
Die Dreharbeiten? Ich bin sehr zufrieden. Die kleine Kyra Sedgwick spielt Hester. Sie ist wunderbar. Unberührt wie frischer Schnee auf einem Vulkan.
Fabelhaft! Und wer spielt Dimmesdale?
Sam Waterston. Er ist perfekt. Großartiger Schauspieler, und der Kontrast zwischen ihm und Kyra – ich bin sprachlos. Ich kann nur sagen, es ist genau das, was ich mir erhofft hatte. Aber nicht darüber wollte ich mit dir reden. Elaine ist wütend, daß ich soviel Zeit in L. A. verbringe. Natürlich weiß sie, was ich mache, ist wichtig und bringt großes Geld ein, und natürlich habe ich ihr erklärt, daß sie gern zu mir kommen kann, aber, unter uns, ehrlich gemeint ist das nicht. Ich weiß, daß sie Südkalifornien haßt und nicht länger als eine Woche bleiben würde. Die Wahrheit ist, daß sie eine sehr gute Nase hat. Sie weiß, daß ich nicht alle meine Tage im Studio zubringe und abends nicht nur den Drehplan für den nächsten Tag mache. Deshalb verdirbt sie mir den Spaß, wenn ich dort bin, indem sie mich abends alle Viertelstunde anruft und sich beschwert, wenn sie mich erreicht. Sie sagt, sie wird die Mumie einladen, bei uns
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