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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Berg geworden. Und ihre Schönheit hatte in einem Ausmaß zugenommen, das er übernatürlich fand. Wann war sie Kellnerin im O’Henry’s gewesen, vor fast vier Jahren? In diesem Steak- und Hamburgerhaus am Ort, in dem sie ihm seine Mahlzeiten serviert und ihn, wenn sie am späten Abend müde war, an Picassos »Büglerin« erinnert hatte. Picasso hatte nie eine Madonna gemalt. Hätte er es versucht, bevor ihn der Drang zu Neuem in der Kunst darauf brachte, Gesichter und Körper in Teile aufzuspalten, dann wäre daraus vielleicht ein Ebenbild Carries geworden, wie sie jetzt aussah. Auch Bellini hätte sie so abgebildet, wenn er sich in ein Mädchen von der Straße mit olivenfarbener Haut verliebt hätte, das schwanger mit dem Kind eines unbekannten Vaters war und das er eingeladen hatte, ihm in seinem Atelier Modell zu stehen. Wessen Pinsel hätte den strahlenden Jason neben ihr, den blonden Berg, gemalt? Norman Rockwells natürlich! Porträt eines jungen Gleisarbeiters in seinem Overall, auf dem Weg zu seiner Tagesarbeit nach einem Hurrikan.
    Hey, Schmidtie, rief sie nach einer Umarmung: große Neuigkeit! Jay und ich sind rechtmäßig verheiratet. Letzten Freitag morgen waren wir in Riverhead und haben es getan! Das ist ein Ding, oder? Bryan und eins von den Mädchen aus dem O’Henry’s waren die Trauzeugen.
    Das ist eine wichtige, wunderbare Neuigkeit, ich freue mich so für euch. Er umarmte Carrie noch einmal und schüttelte Jason noch einmal kräftig die Hand. Nur hätte ich euch doch gern ein Hochzeitsessen ausgerichtet!
    Wir wollten nicht, daß du das machst, sagte Carrie, so viel Schererei. Deshalb haben wir’s heimlich hinter uns gebracht, als du weg warst.
    Carries außerordentlicher Takt: In Wahrheit hatte Schmidt sich den Kopf zerbrochen, was er veranstalten sollte, wenn diese zwei endlich heirateten. Einen Empfang auf dem Rasen nach einer Trauung am Morgen? Etwasim Haus oder unter einem Zelt, wenn sie am Abend stattfand? Sollte er eine Band engagieren oder einen DJ oder ganz auf Musik verzichten? Und vor allem, wen sollte er einladen? Carries Eltern, Mr. Gorchuk, den Angestellten der Schulbehörde, und Mrs. Gorchuk, die puertoricanische Köchin mit den geschwollenen Beinen, Jasons Vater und Mutter, Mr. und Mrs. McMullen aus Nova Scotia, Mike Mansour und Gil und Elaine Blackman, Mikes Wachleute, wenigstens die, deren Dienste in Mikes Haus vorübergehend entbehrlich waren, die jungen Leute aus dem O’Henry’s, und wen sonst? Vielleicht Jasons Kumpel von der New Yorker Polizei, wenn er noch Kontakt zu ihnen hatte. Eine seltsame Gruppe und ein seltsamer gesellschaftlicher Anlaß! Jetzt wurde ihm diese Mühe erspart. Blieb Klein Alberts Taufe. Er sollte Taufpate sein? Würde man von ihm erwarten, daß er einen Empfang gab? Vermutlich für dieselben Leute?
    O Carrie und Jason, erwiderte er, ich hätte so gern hier auf meinem Rasen mit euch gefeiert.
    Bei dieser halben Lüge überfiel ihn die Erinnerung an Charlottes Hochzeit und ihre in seinen Augen grausame und dumme Entscheidung, das Fest in einem Restaurant in Tribeca zu feiern statt in dem Haus, in dem sie aufgewachsen war. Er brauchte einen Moment, bis er sich wieder gefaßt hatte.
    Es ist zu früh am Morgen, um über solche Dinge zu reden, aber ich möchte euch ein ordentliches Hochzeitsgeschenk machen. Hör zu, Jason. Du bist der Praktische in der Familie. Überleg du, was am besten wäre, und laß es mich wissen. Keine Grenze nach oben.
    Hier war er endlich zu hundert Prozent ehrlich.
    Mann, danke, Schmidtie, sagte Jason.
    Er hätte vielleicht mehr gesagt, aber Carrie schaltete sich ein. Wir könnten Geld gebrauchen, Schmidtie, dasneue Haus, der kleine Albert, die Marina, das ist wie ein Gully. Das Geld fließt rein, und raus kommt fast nichts.
    Ist so gut wie erledigt, sagte Schmidt.
    Hey, wir haben noch mehr Neuigkeiten. Der kleine Albert! Der Doktor will, daß er am 15. kommt. Er denkt, ich hätte mich vielleicht mit dem Termin verrechnet, weil der Kleine schon so groß und so weit entwickelt ist. Sie lachte und gab Schmidt einen Schubs mit dem Ellbogen.
    Wieder überschwemmte ihn eine Woge von Gefühlen. Weil das Baby fast da war, weil die Vaterschaft des blonden Wikingers, der sich die Tränen mit dem Ärmel abwischte, um so weniger sicher war, je weiter der Zeitpunkt der Empfängnis zurücklag. In dem Fall – nein, daran wollte er jetzt noch nicht denken. Lieber abwarten, bis das Baby kam, dann würde sich zeigen, wem es ähnelte. Ganz

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