Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
Streifenpolizist
machte sich Notizen.
»Wissen Sie schon etwas
über seine Identität?«, hakte Lenz nach.
»Nein. Er ist etwa 60
Jahre alt und sieht ziemlich abgewohnt aus. Zuerst dachte ich, er sei ein auf
der Fahndungsliste Stehender, von dem ich heute Mittag gelesen habe, aber das wäre
ein zu großer Zufall.«
Lenz war an dem jungen
Mann vorbei, noch bevor der seinen letzten Satz beendet hatte, und stürmte auf
die Rettungssanitäter zu. »Kann ich ihn mir kurz ansehen?«, rief er.
Der vornübergebeugte Arzt
drückte weiter auf den Brustkorb des mit dem Rücken auf dem Asphalt liegenden
Verletzten und schüttelte dabei den Kopf. »Verschwinden Sie, aber dalli, sonst
werden Sie mich kennenlernen, Sie Idiot«, brüllte er, ohne seine Anstrengungen
zu unterbrechen.
Lenz wollte sich schon
umdrehen, als einer der Sanitäter den Kopf hob und dadurch den Blick auf Horst
Fuchs freigab.
»Verdammt«, murmelte der
Polizist.
*
Eine
Viertelstunde später saß er neben Maria auf der Treppe im Hausflur und hatte
entsetzliche Sehnsucht nach einer Zigarette. Der Notarzt, der sich um Uwe
Wagner kümmerte, hatte ihm mit ein paar kargen Worten zu verstehen gegeben,
dass die Verletzungen, die sein Freund davongetragen hatte, vermutlich nicht
lebensgefährlich waren, er aber niemanden um sich gebrauchen konnte, der bei seinem
Patienten Händchen halten wollte. Lenz hatte die Fahndung nach dem Fuchs
abblasen lassen und einen Polizisten beauftragt, nicht von der Seite des schwer
verletzten Mannes zu weichen, egal, wohin er transportiert werden würde.
Außerdem hatte einer der anwesenden Streifenpolizisten unter einem geparkten
Auto ein langes Springmesser gefunden.
»Uwe wird durchkommen«,
ließ er seine Freundin wissen. »Der Arzt sagt, es sehe schlimmer aus, als es
ist.«
»Schön.«
»Das finde ich auch.
Allerdings frage ich mich, was dieser Fuchs hier gewollt hat, noch dazu mit
einem Messer in der Hand.«
»Wie geht es dem
eigentlich? Das, was die Rettungsleute da draußen mit ihm veranstaltet haben,
sah nicht sehr verheißungsvoll aus.«
Lenz zuckte mit den
Schultern. »Ich weiß es nicht. Du hast ja gehört, wie der Arzt mich angepflaumt
hat, als ich nach ihm sehen wollte. Aber es ist schon richtig, angenehm sieht
es nicht aus, was mit ihm passiert.«
Maria schmiegte sich an
seine Schulter. »Meinst du, er hatte es auf dich abgesehen? Mit dem Messer und
so?«
Wieder ein Schulterzucken
des Kommissars. »Es sieht so aus. Allerdings ist mir schleierhaft, wie er an
meine Privatadresse gekommen ist.«
»Hmm«, nickte sie.
Lenz stand auf. »Geh doch
schon mal rein, Maria. Ich bin sicher, dass du deine Zeugenaussage auch morgen
noch machen kannst. Uwe hat vorhin etwas von mir gewollt, das ich nicht
verstanden habe. Ich will noch einmal in seinem Wagen nachsehen, was er gemeint
haben könnte.«
»Ist gut. Wenn es aber
etwas Neues geben sollte, sag mir bitte Bescheid, ja?«
»Versprochen«, erklärte
er ihr, drückte sie kurz an sich und schob sie Richtung Wohnungstür.
Draußen standen nahezu
alle seine Nachbarn, die nicht im Urlaub waren, um die Szenerie herum und
gafften. Auf der anderen Straßenseite erkannte er viele offen stehende Fenster.
In den dunklen Rahmen waren Köpfe zu sehen, die auf die Straße starrten. Lenz
pflegte mit diesen Menschen so wenig Kontakt wie möglich, was er in dieser
Nacht nur begrüßte. Wagner war mittlerweile abtransportiert worden, auch der
Fuchs wurde in einem Notarztwagen weiter behandelt. Der Kommissar ging um den
Passat seines Freundes herum und wollte die Beifahrertür öffnen, was ihm jedoch
nicht gelang, weil sie hoffnungslos verklemmt war. Also ging er wieder zurück
und spähte von der anderen Seite in den Fußraum auf der Beifahrerseite. Dort
leuchtete etwas Helles auf. Er beugte sich vorsichtig über den Mitteltunnel,
griff nach den einzelnen DIN-A4-Blättern, die wild verstreut auf der Fußmatte
lagen, und schob dann seinen Oberkörper zurück.
»He, was machen Sie denn
da?«, hörte er eine Stimme hinter sich. Er drehte sich um und sah in das
Gesicht eines jungen Streifenpolizisten.
»Ich bin Hauptkommissar
Lenz von K11 und habe ein paar Beweisstücke gesichert«, erwiderte er.
»Ach so. Ich wusste gar
nicht, dass der Fall was für die Kripo ist.«
»Einer der Beteiligten
stand auf der Fahndungsliste.«
»Oh.«
Lenz drängte sich
freundlich grinsend an dem jungen Kollegen vorbei, trat unter
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