Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
unendlich glücklich, duldete diesen manchmal sehr teuren Fimmel
ihres Mannes, wenn auch, seit die beiden Mädchen geboren worden waren, mit
immer mehr Bauchgrummeln. An diesem Abend war er allein zu Hause, weil seine
drei Frauen zu einer Veranstaltung in der Orangerie gegangen waren, und wie
meistens nutzte er diese Chance, um sich dem Schwelgen in vollendeter
Musikreproduktion hinzugeben.
Er hatte etwa die Hälfte
der ersten Seite der Monk-Platte genossen, als das Telefon auf dem Tisch leise
piepte. Für einen Sekundenbruchteil überlegte er, es einfach klingeln zu
lassen, dann jedoch siegte sein Pflichtgefühl gegenüber dem Wunsch, einfach
weiter der Musik zu folgen.
»Wagner«, meldete er
sich.
»Hallo, Uwe, hier ist
Vincent.«
Mit Vincent Kruger, dem
Exilneuseeländer und Redakteur der Lokalzeitung, verband Wagner seit ein paar
Jahren eine lose Freundschaft.
»Hallo, Vinnie«, zeigte
sich der Pressesprecher mit einem Blick auf seine Armbanduhr erstaunt, »was hab
ich denn angestellt, dass du mich um diese Uhrzeit anrufst?«
»Ach, eigentlich gar
nichts. Ich würde gern etwas mit dir bereden.«
Wagner war mehr als
irritiert. Vincent Kruger hatte ihn nach seiner Erinnerung noch nie zu Hause
angerufen. »Dann schieß los, ich höre.«
Der Redakteur schluckte
deutlich hörbar. »Kannst du kurz am Pressezentrum vorbeikommen, Uwe? Ich möchte
auf keinen Fall die Sache am Telefon besprechen.«
Nun war Wagner mit einem
Schlag hellwach. »Ist was passiert, Vinnie?«, fragte er.
Kruger brauchte eine
Sekunde, bevor er antwortete. »Kannst du kommen?«
»Ich bin in zehn Minuten
da.«
»Ich warte gegenüber auf
dich, am ehemaligen Autohaus.«
»Gut. Bis gleich.«
Der
Pressesprecher machte sich nicht einmal die Mühe, eine lange Hose anzuziehen,
sondern sprang mit den Bermudas und den Badelatschen, die er seit seiner
Ankunft zu Hause trug, ins Auto. Während er mit geöffneten Seitenscheiben und
leiser Musik aus dem Autoradio durch die Stadt fuhr, fragte er sich ein ums
andere Mal, was Vinnie Kruger ihm so Wichtiges zu sagen haben könnte, dass er
es auf keinen Fall am Telefon machen wollte. In seinem Kopf ging er die letzten
Begegnungen mit dem sympathischen Kiwi durch, doch es wollte ihm nichts
einfallen.
Vielleicht, dachte er,
ist es etwas Privates. Vielleicht.
Er fuhr eine Minute vor
der vereinbarten Zeit auf den Hof des ehemaligen Autohauses gegenüber der
Redaktionsräume der Zeitung. Vincent stand schon unter dem Vordach, mit einer
brennenden Zigarette in der rechten und ein paar Blättern in der anderen Hand.
Wagner stieg aus und begrüßte den Redakteur.
»Du hast es ja spannend
gemacht, Vinnie. Also, was gibt’s?«
Der Neuseeländer reichte
ihm die Papiere. »Das steht morgen so in der Zeitung«, erklärte er dem
Polizisten, der ein paar Schritte zur Seite trat, um in den Lichtkegel einer
Straßenlaterne zu gelangen.
»Was ist das?«, fragte er
verwirrt.
»Das ist eine Story über
deinen Kumpel Lenz. Und es ist eine, die ihm nicht besonders viel Spaß machen
dürfte.«
Wagner hob den Arm und
fing an zu lesen. »Scheiße«, murmelte er nach den ersten Zeilen. »Scheiße,
scheiße.«
»Das sehe ich auch so«,
stimmte Kruger ihm ein paar Minuten später zu. »Deshalb habe ich gedacht, es
ist besser, dass du gleich vorbeikommst. Wir können es nicht mehr stoppen, weil
der Druck schon begonnen hat, aber er sollte wenigstens wissen, was da auf ihn
zukommt.«
»Wer hat das denn
gemacht?«, wollte Wagner wissen.
»Wer schon? Peters, die
kleine Pestbeule. Und der Chef hat es abgesegnet, sonst würde ein Artikel mit
dieser …, fuck, jetzt fällt mir das Wort nicht ein …, dieser Brisanz niemals
erscheinen.«
»Vermutlich,
ja. Aber das ist jetzt auch egal, ob er das abgesegnet hat. Woher hast du denn
davon erfahren, Vinnie?«
Kruger warf seinen
Zigarettenstummel auf den Boden und stellte den Schuh darauf. »Der
Onlineredakteur, der es gerade einstellt, hat mich angerufen und gefragt, ob
ich es schon gesehen hätte. Da hat es bei mir geklingelt.«
Wagner trat einen Schritt
nach vorne und klopfte dem Redakteur auf die Schulter. »Danke, dass du an mich
gedacht hast. Du hast was Dickes gut bei mir, Vinnie.«
»Lass gut sein, Uwe.
Stimmt es denn, was da alles drinsteht?«
Der Pressesprecher zuckte
mit den Schultern. »Das weiß ich nicht. Aber ich kann mir beim besten Willen
nicht vorstellen, dass Paul so was macht. Nein, beim
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