Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
ganzen Scheiße steckt. Deshalb …«
»Maria«, unterbrach
Zeislinger sie kleinlaut, »du musst mir glauben …«
»Lass es sein, Erich«,
fauchte sie. »Und wenn du mich noch einmal unterbrichst, lege ich einfach auf
und gehe zu einer großen deutschen Tageszeitung mit dem, was ich eigentlich
lieber nur dir ganz persönlich sagen würde.« Ihr Tonfall hatte etwas ebenso
Unverbindliches wie Drohendes. »Ist das klar?«
»Ja, natürlich.«
»Gut. Offenbar braucht
dein Gedächtnis ein paar Hinweise, warum deine politische Karriere in den
letzten Jahren so auffallend positiv verlaufen ist. Zunächst hätten wir da
diverse Spenden an die Partei, die du nicht ordnungsgemäß verbucht hast. Ich
weiß, dass es schwer werden wird, dir das nachzuweisen, aber sei sicher, dass
es mir gelingen würde. Weiterhin haben wir dein intimes Verhältnis zu Ingrid
Hollermann, deiner ehemaligen Sekretärin, die gehen musste, weil sie keinen
Bock mehr auf dich hatte. Das, und da sei dir ganz sicher, kann ich beweisen,
seit die gute Frau Hollermann und ich uns mal zum Essen getroffen und die
unschönen Dinge, die zwischen euch zum Abschied gelaufen sind, besprochen
haben. Ich meine da vor allem das blaue Auge, das sie davongetragen hat, und
deine Einschüchterungen.«
Sie holte tief Luft.
»Aber am Wichtigsten dürfte für dich und deine weitere Zukunft sein, dass deine
Beteiligung am Tod von Simon Regler, dem Sohn des Unternehmers Edmund Regler,
nie publik wird.«
Lenz dachte kurz nach.
Der kleine Regler war an einem Winterabend vor etwa drei Jahren auf dem Heimweg
vom Schlittenfahren von einem Auto erfasst und getötet worden. Der Verursacher
hatte sich vom Unfallort entfernt, ohne auch nur anzuhalten.
Maria schluckte deutlich
hörbar. »Hast du alles verstanden, was ich dir erzählt hab?«
»Das kannst du nicht
machen, Maria. Bitte, denk doch an die schönen Zeiten, die wir …«
»Halt dein Maul, Erich«,
herrschte sie ihn an. »Halt dein verdammtes Maul und hör auf, mir das Leben
schwer zu machen, sonst lernst du mich kennen, das schwöre ich dir.« Sie
schluckte erneut. »Und glaub bloß nicht, dass ich dir mit leeren Versprechungen
kommen würde. Wenn du deine Kettenhunde nicht auf der Stelle zurückpfeifst, bist
du spätestens am Montag geliefert. HABEN WIR UNS VERSTANDEN?«
»Was du machst, ist
Erpressung, nicht, Maria«, antwortete er nach einer kurzen Pause. »Darüber
solltest du dir im Klaren sein.«
»Dann zeig mich an,
Erich. Wir werden sehen, was dabei rauskommt.« Damit drückte sie die rote Taste
am Telefon, warf das Plastikteil auf die neue Ledercouch und saugte so viel
Luft in ihre Lungen, dass Lenz kurz befürchtete, sie würden platzen. Er nahm
Maria zärtlich in den Arm und streichelte ihren Hals.
»Das ist doch alles nicht
wahr?«
»Jedes Wort«, flüsterte
sie. »Jedes einzelne Wort.«
»Er hat damals den
kleinen Regler überfahren?«
Sie nickte. »Ich denke,
er war betrunken, aber das ist nur eine Vermutung. Nachdem er in der Nacht
nicht nach Hause gekommen war, stand er frühmorgens an meinem Bett und hat
geheult wie ein Schlosshund. Ich war gerade mal zwei Stunden vorher aus
Fritzlar gekommen und hatte überhaupt keine Lust auf ihn, aber er ließ sich
nicht abwimmeln. Dann hat er mir die ganze Geschichte erzählt.«
»Warum hast du nie mit
mir darüber geredet?«
»Ich wollte dich nicht in
die Bredouille bringen, in der du jetzt gelandet bist. Ein Polizist, der so
etwas weiß, muss es doch bestimmt verfolgen.«
Lenz wusste, dass sie
vollkommen richtig lag. »Das stimmt.«
»Und was machen wir
jetzt?«
»Wir? Wir machen gar
nichts, zumindest nicht in der Causa Simon Regler. Zunächst müssen wir in
eigener Sache tätig werden, der Rest kommt von ganz allein.«
»Gut«, stimmte sie ihm
erleichtert zu.
Eine halbe Stunde später
lag Maria im Bett. Lenz ging noch einmal vor die Tür, doch der Rummel hatte
sich komplett verlaufen. Die Verletzten waren ebenso abtransportiert worden wie
die bei dem Unfall beschädigten Autos. Der Polizist ging zum Kühlschrank, nahm
sich eine Dose Bier heraus und griff zum Telefon, das in diesem Augenblick zu
summen begann.
»Ja«, meldete er sich.
»Ich bin’s, Thilo.«
»Dich wollte ich auch
gerade anrufen, Thilo.«
»Scheinbar will heute
Nacht jeder mit mir telefonieren. Was wolltest du denn von mir?«
Lenz wurde hellhörig. »Wer
hat denn noch versucht, dich zu sprechen?«
»Uwe hat vor …«,
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