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Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall

Titel: Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P Gibert
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Fußmarsches zum Ständehaus, in dem der
LWV Hessen seinen Sitz hat, gingen die beiden Polizisten schweigend
nebeneinander her und hingen ihren Gedanken nach. Kurz bevor sie das im
Neorenaissancestil erbaute Gebäude erreicht hatten, klingelte Lenz’ Telefon. Er
nahm das Gespräch an und meldete sich.
    »Hallo, Paul, hier ist RW. Manchmal bist du wirklich ein
echter Kotzbrocken.«
    »Ich weiß, RW. Und es tut mir leid, ehrlich.«
    »Ist das eine Entschuldigung?«
    »Eine völlige und umfassende.«
    »Das ist erfreulich.«
    »Hast du mich tatsächlich angerufen, um mich zu einer
Entschuldigung zu nötigen?«
    »Auch«, antwortete Gecks fröhlich. »Aber es gibt einen
weiteren Grund. Vor ein paar Minuten hat hier der Fahrer eines
Tiefkühllieferservice angerufen. Er sagt, er hätte was auszusagen im Fall des
Mordes von gestern Abend.«
    »Ein Tiefkühlfahrer?«
    »Ja. Ich hab ihn aufgefordert, dass er ins Präsidium kommen
soll, am besten möglichst bald. Er ist gerade in der Gegend von Treysa
unterwegs und wird in etwa drei Stunden wieder in Kassel sein.«
    »Hat er auch gesagt, was er gesehen hat?«
    »Nein, das wollte er am Telefon nicht. Aber er hat sich nach
der Belohnung erkundigt.«
    Lenz’ zuvor aufgekeimtes Interesse kühlte schlagartig ab.
Menschen, die sich primär aus Gründen der Belohnung in einem Kriminalfall als
Zeugen anboten, hatten in der Regel wenig zur Aufklärung beizutragen, so seine
Erfahrung.
    »Wir kommen, wenn wir hier fertig sind, zurück ins
Präsidium«, erwiderte er trotzdem. »Vielleicht hat der Kerl uns ja wirklich
etwas mitzuteilen, das in dem Fall weiterhilft.«
    Er beendete das Gespräch und schilderte Hain jene Passagen,
die sein Kollege nicht hatte hören können.
    »Aber«, schränkte er ein, »du weißt ja, was ich von Menschen
halte, die als Erstes nach der Höhe der Belohnung fragen.«
    »Was soll’s, zu verlieren haben wir nichts«, entgegnete der
Oberkommissar und hielt Lenz einen Flügel der riesigen, gusseisernen Tür zum
LWV auf.

     
    Die Frau an der Pforte lächelte die beiden
Polizisten freundlich an. »Guten Tag, was kann ich für Sie tun?«, wollte sie in
routiniert-geschultem Ton von ihnen wissen.
    »Wir suchen jemanden, der uns ein paar Fragen zu einem
ehemaligen Mitarbeiter Ihres Hauses beantworten kann«, gab Hain ebenso
freundlich Auskunft und hielt dabei seinen Dienstausweis in die Höhe. Die Frau
griff danach und riss die Augen auf.
    »Polizei?«, flüsterte sie mit einer Hand vor dem Mund, als
ginge von der Beschäftigung dort eine schlimme Krankheit aus.
    »Sie müssen sich keine Sorgen machen, es sind reine Routinefragen«,
versuchte Hain, die Frau zu beruhigen.
    Sie ließ die Rechte sinken, griff zerstreut zum Telefonhörer
und sah dabei die beiden Kommissare an, als erwarte sie von ihnen einen
Hinweis, mit wem sie telefonieren könnte.
    »Am ehesten kann uns vermutlich jemand von der
Personalabteilung helfen«, bemerkte Lenz aus dem Hintergrund.
    »Ja«, wiederholte sie abwesend, »jemand von der
Personalabteilung wäre gut. Obwohl … Ich glaube, ich habe da eine bessere
Idee.« Ihre Finger drückten nacheinander drei Tasten, dann wartete sie kurz,
drehte sich von den Beamten weg und murmelte etwas in den Hörer.
    »Worum genau geht es denn?«, leitete sie eine Frage ihres
Gesprächspartners weiter.
    »Um einen ehemaligen Mitarbeiter des
Landeswohlfahrtsverbandes, der vor etwa zehn Jahren in den Ruhestand gegangen
ist.«
    Wieder wandte sie sich ab und flüsterte etwas in
den Hörer. »Gut, ich schicke sie rauf«, bestätigte sie und legte auf.
    »Herr Witsch im zweiten Stock, Zimmer 215, wird sich um Ihr
Anliegen kümmern.« Sie deutete nach rechts. »Die Treppe hoch bis in den zweiten
Stock, das letzte Zimmer auf der rechten Seite.«
    Lenz und Hain nickten zum Dank und setzten sich in Bewegung.
Keine Minute später standen sie vor der Tür von Zimmer 215. Hain klopfte kurz
an, legte die Hand auf die Klinke und schob die Tür nach innen auf.
    »Guten Tag, meine Herren«, wurden sie von einem
etwa 60-jährigen Mann mit weißen Haaren, rotem Bluthochdruckgesicht und mächtigem
Bauch empfangen, der hinter einem kleinen Schreibtisch in einem mit Akten
vollgestopften, winzigen Zimmer saß. »Was kann ich für Sie tun?«
    Da es außer dem bereits besetzten Stuhl keine weitere
Sitzmöglichkeit gab, stellten sich die Kommissare vor dem Schreibtisch auf.
    »Wir kommen wegen eines ehemaligen Mitarbeiters des LWV«,

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