Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
erklärte Lenz dem Mann. »Sein Name ist Dieter Bauer.«
»Ein pensionierter Mitarbeiter, wenn ich recht informiert
bin.«
Offenbar hatte die Dame am Empfang ganze Arbeit geleistet.
»Ganz recht. Er ging vor etwa zehn Jahren in den Ruhestand.«
»Dann wollen wir mal sehen«, antwortete Herr Witsch fröhlich,
schob die Arme um den Bauch und griff nach der Tastatur, die vor ihm auf dem
Schreibtisch lag. »Berta – Anton – Ulrich – Emil – Richard«, buchstabierte
er während der Eingabe den Nachnamen des Mordopfers. »Vorname Dieter?«
»Ja, Dieter«, bestätigte Hain.
»Dora – Isidor – Emil – Theodor – Emil – Richard. Richtig
so?«
Lenz und Hain sahen zuerst sich, dann Herrn Witsch an und
nickten.
»Dieter Bauer. Haben Sie ein Geburtsdatum?«
Lenz fragte sich, wie viele Dieter Bauers wohl beim LWV
arbeiteten oder gearbeitet hatten, während Hain nach seinem Notizblock kramte
und blätterte.
»13. Januar 1938«, ließ er den Mann hinter dem Schreibtisch
wissen.
»Das stimmt«, erwiderte der, als ginge es um die
1.000-Euro-Frage bei Jauch. »Darf ich fragen, warum Sie sich nach Herrn Bauer
erkundigen?«
»Herr Bauer wurde das Opfer eines Verbrechens«, befriedigte
Lenz Witschs Neugier. »Wir sind die leitenden Ermittler und müssen alles
untersuchen, was in dem Fall von Bedeutung sein könnte.«
»Das klingt ja furchtbar, wie Sie das sagen. ›Das Opfer eines
Verbrechens‹. Als sei er umgebracht worden.«
Hain deutete auf den alten, klobigen Monitor auf dem
Schreibtisch. »Haben Sie etwas über Herrn Bauer gefunden?«
»Selbstverständlich, ja. Ist er denn …, ich meine, ist
er …?«
»Wie es sich im Moment für uns darstellt, wurde Herr Bauer
tatsächlich das Opfer eines Gewaltverbrechens«, erklärte Hain dem bestürzt
dreinblickenden Herrn Witsch. »Deshalb müssen wir wirklich alles wissen. Auch
jede noch so kleine oder nebensächlich erscheinende Information kann bedeutsam
sein für uns.«
Er nickte aufmunternd. »Wo und wie lange hat Herr Bauer denn
für den LWV gearbeitet?«
Witsch kratzte sich am Kopf und holte tief Luft. »Das kann
ich Ihnen beim besten Willen so nicht beantworten, meine Herren. Immerhin ist
der Mann bereits vor …«, er bewegte die Maus ein kleines Stück und senkte den
Kopf, um über den Rand seiner Brille zu sehen, »… vor mehr als zehn Jahren oder
besser knapp zehn Jahren, pensioniert worden. Wenn ich …«, wieder fuhr das
Plastikteil in seiner Hand über den Tisch, »… es richtig sehe,
… nein, warten Sie … ja, hier habe ich einen Verweis auf einen anderen
Datensatz.«
Einer erneuten Bewegung seines rechten Armes folgte ein
Kopfschütteln. »Das ist ja alles schon so lange Zeit her. Aber …«, nun
grinste er die Beamten an, »… das Haus verliert nichts. Sie haben Glück,
wir sind nämlich seit einiger Zeit dabei, diese alten Personaldaten von den
damals üblichen Mikrofiches in die moderne EDV einzulesen. Und mit den Daten
von Herrn Bauer ist das schon passiert. Vielleicht, weil sein Name mit einem B
beginnt.«
»Das klingt vielversprechend«, freute sich Hain.
»Ist es auch. Hier habe ich den Datensatz gefunden. Dieter
Bauer ist am 1. April 1967 beim Landeswohlfahrtsverband eingetreten. Meine
Güte, das ist mehr als 40 Jahre her.« Er kniff kurz die Augen zusammen.
»Zunächst ist er zwei Monate eingearbeitet worden, das war damals wohl die
Regel.«
»Waren Sie zu dieser Zeit auch schon beim LWV?«, fragte Lenz
verwundert.
»Ach was, wo denken Sie hin? Da war ich gerade mal 15,
ziemlich grün hinter den Ohren und damit beschäftigt, meine mittlere Reife
nicht zu vergeigen. Na ja, das hat immerhin geklappt. Ich bin erst nach der
Lehre und meinen zwölf Jahren beim Barras hier Mitarbeiter geworden. 1982 war
das.«
»Und Sie können sich nicht zufällig an diesen Herrn Bauer
erinnern?«
»Nein, ganz gewiss nicht. Wir haben hier so viele Mitarbeiter
zu verwalten, das glauben Sie gar nicht. Außerdem sind das alles nur Namen, mit
denen wir keinen Menschen verbinden können, weil wir die Leute in der Regel nie
zu Gesicht bekommen.«
Er tippte etwas auf der Tastatur und wartete. »Dieter Bauer.
Am 31. 10. 2000 hatte er seinen letzten Arbeitstag bei uns, danach ging er in
den Ruhestand. Etwas früher als normal, aber den Grund dafür kann ich hier
nicht erkennen.«
»Was hat er eigentlich gemacht? Stimmt es, dass er in einer
Ihrer Einrichtungen in Wabern gearbeitet
Weitere Kostenlose Bücher