Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
die Frau, auf die er wartete, schon seit längerer Zeit
Feierabend, doch sie war noch nicht erschienen. Erneut wurde die Tür von innen
geöffnet, und diesmal tauchte das Gesicht auf, das er mehr als sehnsüchtig
erwartet hatte.
»Bist du verrückt?«,
zischte die Frau mit einem Blick nach rechts und nach links. »Du kannst mir
doch nicht einfach hier auflauern. Wenn uns jemand zusammen sieht, der eins und
eins zusammenzählen kann, bin ich meinen Job los.«
Und ich eine gute
Informantin, dachte der Detektiv.
»Es tut mir leid«,
erwiderte er devot, »aber ich habe gedacht, dass ich vielleicht mal nach ihm
sehen könnte.«
»Du
spinnst tatsächlich«, erwiderte die Frau empört. »Wir können doch keine
Sightseeingtour über die Intensivstation machen, nur weil du dir diesen
Halbtoten ansehen willst.«
»Keine Chance?«, fragte
er mit Dackelblick und ließ ein paar Geldscheine in der Seitentasche ihres
blütenweißen Kittels verschwinden. Die Frau blickte sich erneut nervös um und
atmete dabei kräftig aus.
»Lass uns gehen. Ich
erzähle dir auf dem Weg nach draußen, was mit dem Kerl ist.«
»Er
hat keine große Chance, durchzukommen«, begann sie im Fahrstuhl leise. »Seine
Kopfverletzungen sind so gravierend, dass er nur mit Mühe die Nacht überstehen
wird. Und das wird auch das Beste für ihn sein, wenn ich die Ärzte richtig
verstanden habe.«
»Hast du irgendwas davon
mitgekriegt, wie es passiert ist?«, wollte er wissen.
»Nichts Konkretes. Er hat
sich seiner Festnahme widersetzt, glaube ich.«
»Und dabei wird man so
übel zugerichtet, dass man stirbt?«
Die Krankenschwester
stöhnte auf. »Herrgott, ich weiß es nicht, Lutz. Frag doch einen der Bullen,
mit denen du so dicke bist, der wird dir dazu sicher mehr sagen können als
ich.«
Die Lifttüren fuhren zur
Seite und gaben den Blick frei auf die großzügige Lobby des Krankenhauses.
»Hat er außer den Sachen
am Kopf noch was abgekriegt? Eine Schussverletzung vielleicht?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, nichts dergleichen. Sein Körper ist zwar übersät mit Hämatomen, aber
immerhin ist er ja eine Treppe runtergefallen. Und jetzt muss ich los, ich
treffe mich gleich mit meiner Mutter. Tschüss.« Damit ließ sie ihn stehen und
verließ mit schnellen Schritten das Krankenhaus.
Braves Mädchen, dachte
Brenner. Bisschen pummelig geworden vielleicht, aber zuverlässig.
Eine knappe Stunde später
stand er im Eingang eines amerikanischen Schnellrestaurants in der
Kohlenstraße, sah sich um, und entdeckte seinen Gesprächspartner auf der
Terrasse. Mit einer großen Cola in der Hand ging er nach draußen.
»Hallo, Werner«, begrüßte
er Werner Peters, den Reporter der Lokalzeitung. »Wie läuft’s immer so bei
dir?«
Peters nahm den riesigen
Burger, von dem er gerade ein üppiges Stück abgebissen hatte, vom Mund weg,
nickte Brenner kauend zu, und deutete auf den Stuhl gegenüber. »Alles Banane«,
gab er kaum verständlich von sich, nachdem er das meiste seiner Mundfüllung
hinuntergeschlungen hatte, und spülte den Rest mit einem großen Schluck aus dem
Pappbecher hinterher. »Wir haben uns ja ewig nicht mehr gesehen. Wie kommt’s
denn, dass du Sehnsucht hast nach mir?«
Brenner nahm ebenfalls
einen kräftigen Schluck, zog sein Sakko aus, zündete sich eine Zigarette an und
warf Zigarettenpackung und Einwegfeuerzeug auf den Tisch. »Kennst du einen
Hauptkommissar Paul Lenz?«
Peters sah ihn verwundert
an. »Klar. Aber was hast du mit dem zu tun?«
Der Detektiv zuckte mit
den Schultern. »Kann ich mich darauf verlassen, dass alles, was ich dir
erzähle, unter uns bleibt?«
»Selbstverständlich«,
erwiderte Peters.
»Erich Zeislinger hat
mich auf ihn angesetzt. Er will den Kerl hängen sehen. Wenn’s geht, am höchsten
Baum der Stadt.«
»Meine Fresse«, schnalzte
der Journalist mit der Zunge, »der gute Schoppen-Erich will seine Maria aber
mit allen Mitteln zurück haben.«
»Wie meinst du das?«
»Er hat bei uns im Haus
ganz schön getrommelt, damit wir was über die beiden Turteltauben bringen.
Deshalb bin ich auch an der Sache dran.«
Die Miene des Detektivs
hellte sich auf. »Das wird ja immer besser, Werner.«
Während der nächsten 20
Minuten tauschten die beiden ihre jeweiligen Informationen aus.
»Und du meinst wirklich«,
fasste Peters das Gehörte zusammen, »dass man ihm einen reindrehen könnte wegen
der Geschichte mit diesem Fuchs?«
Brenner
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