Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
DDR, und die Jungs sitzen da und drehen Däumchen. Was soll das?
Westler kommt wohl jetzt um die Jugendstrafanstalt nicht
mehr herum, aber die anderen für seine Taten in Sippenhaft zu nehmen, das ist
unter aller Kanone!
Der Hauptkommissar
blickte auf. »Aurich scheint sich mit Bauer nicht richtig grün gewesen zu sein,
zumindest könnte man das anhand der Einträge hier vermuten«, schloss er aus dem
Gelesenen.
»Und, hilft uns das in
irgendeiner Form weiter?«
Lenz blätterte zurück,
überflog dabei die Einträge und scannte nach den Namen, die für die Polizisten
von Interesse waren. Am 18. Mai 1974 blieb er hängen.
Ruth ist die ganze Schicht mit verheulten Augen über die
Gruppe gerannt. Selbst den Jungs bleibt es nicht verborgen, dass irgendetwas
nicht stimmt. Dieter redet kein Wort mehr mit ihr, seit er sie abserviert hat,
behauptet sie. Und das alles wegen dieser Schickse, die seine Tochter sein
könnte! Der spinnt doch, der Kerl. Wenn sie ihn diesmal erwischen, kommt er
hoffentlich nicht wieder mit einer Verwarnung davon. Manchmal denke ich darüber
nach, ihn anzuzeigen, aber was würde das bringen? Am Ende verliere ich meinen
Arbeitsplatz und kann wieder als Fliesenleger anfangen. Vielen Dank, aber das
möchte ich nicht.
Anita hat …
Lenz hob ungläubig den Kopf. »Das, was er da beschrieben
hat, müssen wir genau auswerten, Thilo. Aber wie es sich für mich darstellt,
könnte Bauer damals etwas mit einer Heimbewohnerin angefangen haben. Vielleicht
ja mit Petra Soffron?«
Hain nickte. »Möglich«,
bestätigte er, »obwohl die, trotz ihrer mysteriösen Schwangerschaften, nach
Aussage von Melchers mit Männern nichts anfangen konnte.«
»Auch wieder wahr«, gab
Lenz ihm recht. »Aber nachgehen müssen wir der Sache schon. Wir müssen jemanden
danach fragen, der sie zu dieser Zeit kannte. Gut kannte.«
Der Oberkommissar
startete den Motor. »Martina … äh, Martin Melchers«, sprudelte es aus ihm
heraus, während er den ersten Gang einlegte.
*
Die
Tür zum Haus, in dem Melchers wohnte, war wieder geschlossen. Nachdem er ein
paar Mal bei ihm geklingelt hatte, probierte Hain den gleichen Trick mit der
Nachbarin wie am Vormittag. 20 Sekunden später standen sie im zweiten Stock und
klopften.
»Herr Melchers, wir sind
es. Machen Sie bitte auf, wir haben noch ein paar Fragen an Sie«, rief Hain so
gedämpft er konnte. Aus dem Innern kam als Antwort nur das Winseln der Hunde.
»Herr Melchers! Es
passiert Ihnen nichts.«
Keine Reaktion.
Wieder ein Klopfen des
Oberkommissars, nun etwas energischer. »Hallo, Herr Melchers!«
Die Tür der Wohnung
gegenüber wurde aufgerissen und ein Mann im ehemals weißen Feinrippunterhemd
sah die Beamten feindselig an. Sein Körpergeruch war abenteuerlich.
»Was wollt ihr denn von
der Schwuchtel?«, blaffte er sie an. »Der ist garantiert zu Hause, weil er nie
ohne seine Tölen vor die Tür geht. Klopft von mir aus leise oder haut ab, aber
hört auf, so einen Alarm zu schlagen, sonst werde ich echt unleidlich, und da hättet
ihr garantiert keinen Spaß dran. Verstanden?«
Hain zog seinen
Dienstausweis aus der Tasche und hielt ihn dem Mann unter die Nase. Der zog den
Kopf zurück und las.
»Oh, das konnte ich ja
nicht wissen«, machte er nun auf freundlich. Keine Sekunde später fiel seine
Tür mit einem lauten Schlag ins Schloss.
»Na bitte, geht doch«,
murmelte der Oberkommissar und schob die grüne Karte zurück in die Jacke. Dann
klopfte er erneut. Mit dem bekannten Ergebnis.
»Wenn der Unsympath von
gegenüber richtig liegt, und Melchers zu Hause ist, warum macht er uns dann
nicht auf?«, wunderte er sich.
Nun war von innen ein
Hundechor zu hören, dessen Gewinsel immer lauter wurde. Lenz warf einen Blick
auf das Schloss in der Tür. »Kriegst du das auf?«, fragte er seinen Kollegen, der
ein paar Jahre zuvor ein Seminar besucht hatte, in dem es ausschließlich um das
gewaltlose Öffnen von Verriegelungen gegangen war.
Hain folgte seinem Blick
und nickte. »Klar. Aber warum sollte ich das machen?«
»Weil ich es sage«,
erwiderte Lenz trotzig.
»Der liegt im Bett und
pennt«, schnaubte der junge Oberkommissar zurück. »Und wir kommen in Teufels
Küche, weil wir uns illegal Zugang zu seiner Wohnung verschafft haben. Nein,
lass uns abhauen. Wir können ja zu Erika Schäfer nach Oberzwehren fahren. Die
weiß bestimmt auch das eine oder andere, glaub mir.«
»Aufmachen«, forderte
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