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Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall

Titel: Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P Gibert
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Lenz nun mit Nachdruck. »Ich halte die Rübe dafür hin.«
    »Musst du doch sowieso«,
nölte Hain, griff in seine Gesäßtasche und kramte ein kleines dunkles
Lederetui heraus. »Wenn er unflätig wird, schmier ich ihm eine und sag, du
hättest es so von mir verlangt.«
    »Von mir aus. Aber jetzt
mach die verdammte Tür auf!«
    Es dauerte keine zehn
Sekunden, dann zog der Oberkommissar die Tür zu sich heran, überwand die
Schlossfalle, und schob das alte Holzblatt nach innen.
    »Oh, mein Gott«,
schnaubte Lenz.

     
    Der
Mann auf dem Boden war, auch von hinten, an seinem blauen Bademantel leicht zu
erkennen. Er lag regungslos auf dem Bauch, zwischen seinem Kopf und dem Rücken,
kurz unterhalb des Genicks, war überdeutlich ein riesiges Hämatom und eine
merkwürdig verformte Hautstelle mit einer Delle auszumachen. Der Bademantel war
in diesem Bereich aufgetrennt. Der Hauptkommissar, der sich zu dem Verletzten
oder Toten hinunterbeugte, hörte, wie Hain telefonisch einen Notarztwagen
anforderte und die Adresse durchgab. Lenz legte Melchers vorsichtig Zeige- und
Mittelfinger der rechten Hand an den Hals.
    »Lebt er noch?«, wollte
Hain wissen, der mit seiner Pistole im Anschlag an ihm vorbeiglitt und rasch
jedes Zimmer sicherte. Zum Schluss warf er einen Blick in die Küche, dann
steckte er die Waffe zurück und trieb die jammernden Hunde in den Raum, in dem
Melchers sie am Morgen ebenfalls untergebracht hatte.
    »Ich kann es dir nicht
sagen, Thilo«, murmelte Lenz. »Wenn ja, dann nicht mehr sehr viel.«
    In diesem Augenblick hob
Melchers ein Augenlid und versuchte, den Kommissar anzusehen, doch es gelang
ihm nicht. Lenz beugte sich nach vorne, kniete sich neben den Kopf des
Verletzten und griff nach dessen Hand. Sie war eiskalt.
    »Herr Melchers, können
Sie mich hören?«
    Das Augenlid fiel langsam
nach unten.
    Lenz warf einen Blick auf
die Verletzung des Mannes. Wie hieß dieser Halswirbel noch?
    »Bitte bewegen Sie sich
nicht, Herr Melchers. Bleiben Sie ganz ruhig liegen. Mein Kollege hat schon den
Notarztwagen gerufen. Der wird gleich da sein, dann wird Ihnen geholfen.«
    Wieder
zog Melchers das Augenlid nach oben, und diesmal wurde die Bewegung von einem
sehr leisen, krächzenden Laut begleitet. Offenbar wollte Melchers ihm etwas mitteilen.
    Der
Kommissar drückte sich mit dem Ohr, so dicht es ging, an seinen Mund, konnte
jedoch nichts verstehen. Vielleicht lag es allerdings auch daran, dass Melchers
Kraft zu Ende ging. Sein Kopf fing leicht an zu vibrieren, und Lenz konnte
dabei das gedämpfte Klappern seiner Zähne hören. Dann wurde Melchers plötzlich
ruhig und jede Bewegung erstarb. Der Kommissar legte erneut die Finger an den
Hals des Mannes.
    »Shit«, murmelte Hain
über ihm.
    In diesem Moment stoppte
vor dem Haus ein Rettungswagen mit Sirenengeheul. Der Oberkommissar griff zur
Sprechanlage und öffnete die Haustür. Ein paar Sekunden später stürmten drei
Männer in die Wohnung, zuerst zwei Rettungsassistenten, dann der Arzt. Lenz
sprang zur Seite. Der Mediziner betrachtete zuerst die Verletzung im Rücken des
Mannes auf dem Boden, dann drehte er den Kopf und warf den Polizeibeamten einen
skeptischen Blick zu. Im Anschluss griff er in seinen Koffer und holte einen
kleinen Spiegel heraus, den er Melchers kopfschüttelnd vor den Mund hielt.
    »Ex?«, fragte einer der
Assistenten. Der Arzt zuckte mit den Schultern.
    »Ich denke, ja. Natürlich
würde ich ihn gern reanimieren, aber wir können an seiner Position nichts
verändern, ohne ihm aufs Ärgste zu schaden.« Er deutete auf das Hämatom im
Rücken des Mannes vor ihm. »Das ist eine von außen herbeigeführte massive
Verletzung der Halswirbelsäule im Bereich der Vertebra Prominens, des siebten
Halswirbels. Wenn ich die Situation richtig einschätze, ist es nicht möglich,
ihn zu drehen oder ihn, zumindest mit unseren Mitteln, in eine für eine
Reanimation sinnvolle Position zu bringen. Er hat keinen Atemreflex mehr, was
ich bei dieser Verletzung auch nicht anders erwartet hätte. Also …«
    Der Arzt stand auf und
zog sich die Einweghandschuhe von den Fingern. »Der Mann ist tot«, fuhr er in
Richtung der Kripobeamten fort, »und Sie können mir glauben, dass es das
absolut Beste für ihn ist, meine Herren.«

     

20
    Lutz
Brenner drückte sich seit mehr als zwei Stunden vor der verschlossenen
Eingangstür zur chirurgischen Intensivstation des Kasseler Klinikums herum.
Eigentlich hatte

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