Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
Hauptkommissar ihr in schneidendem Ton. »Setzen Sie sich.«
»Ich weiß nicht …«,
wollte sie widersprechen, war aber ganz offensichtlich ein wenig beeindruckt
von Lenz’ konsequentem Auftritt und ließ sich auf das Sofa sinken. Lenz nahm
ebenfalls ungefragt Platz.
»Hatte Dieter Bauer ein
Verhältnis mit Petra Soffron?«
Sie zögerte. »Was fragen
Sie mich? Keine Ahnung«, reagierte sie schnippisch.
»Ich glaube Ihnen nicht.
Ich bin im Gegenteil sogar davon überzeugt, dass Sie genau wissen, dass er ein
Verhältnis mit ihr hatte. Und ich bin weiterhin davon überzeugt, dass Sie noch
viel mehr wissen.«
»Wie kommen Sie auf
diesen Unsinn?«
Lenz verengte die Augen
zu schmalen Schlitzen und sah sie ernst an. »Sie können die Wahrheit für sich
behalten, Frau Schäfer. Ich kann Sie nicht zwingen, die Karten auf den Tisch zu
legen, aber ich verspreche Ihnen, dass ich Sie belangen werde, wenn dadurch,
dass Sie jetzt nicht reden, noch jemand zu Schaden kommt.« Den letzten Teil
seiner Ausführungen hatte er mehr gezischt als gesprochen. »Und nun machen Sie
endlich den Mund auf! Wir wissen, dass Dieter Bauer die Soffron geschwängert
hat.«
Im gleichen Moment, in
dem Lenz gesprochen hatte, verschwand die Farbe aus Erika Schäfers Gesicht. Es
dauerte ein paar Sekunden, bis sie sich wieder gefangen hatte.
»Wenn Sie es wissen,
warum brüllen Sie dann so hier rum?«, schleuderte sie dem Kommissar mit zu
einer Grimasse verzerrten Gesicht entgegen. »Ja, es stimmt, dass er diese
kleine Schlampe gebumst hat. Und es stimmt, dass er sie zweimal geschwängert
hat. Und wenn Sie es genau wissen wollen, es stimmt auch, dass sie es gar nicht
wollte.«
Sie
griff zu den Zigaretten auf dem Tisch und steckte sich mit zitternden Fingern
eine davon an. »So, jetzt ist es raus. Dieter ist tot, seine Frau ist tot, und
dieser Soffron ist es ohnehin immer egal gewesen, was mit ihren Gören passiert
ist.«
Hain
war den Ausführungen der Frau mit immer größer werdenden Augen gefolgt. Er warf
seinem Chef einen bewundernden Blick zu, dem Lenz jedoch keine Beachtung
schenkte.
»Was soll das heißen,
dass Petra Soffron es nicht wollte
?«
»Was soll das schon
heißen? Er hat nicht gefragt, ob sie will oder nicht.«
»Wollen Sie damit sagen«,
fragte Hain ungläubig dazwischen, »dass er sie vergewaltigt hat?«
»Nein, das will ich ganz
bestimmt nicht sagen, junger Mann. Er hat sie … er hat sie gefügig gemacht, das
will ich damit sagen.«
»Und wie macht man sich
jemanden gefügig, der einem als Heimkind anvertraut worden ist?«
»Nun werden Sie nicht
albern. Diese jungen Dinger damals, die hatten es faustdick hinter den Ohren.
Manchmal sind die nackt über den Flur gelaufen, nur um die Erzieher
aufzugeilen.«
»War Frau Soffron auch
eine von denen, die so was gemacht haben?«, wollte Lenz wissen.
Sie zögerte. »Das weiß
ich nicht mehr, beim besten Willen nicht. Irgendwer hat mal erzählt, sie sei
lesbisch, aber das war mehr ein Gerücht.«
Lenz konnte kaum fassen,
was er da hörte. »Wir haben noch nicht geklärt, wie er sie sich gefügig gemacht
hat.«
Wieder zögerte die Frau
einen Augenblick, bevor sie antwortete. »Ich kann mich an viele Details nicht
mehr erinnern, Herr Kommissar, aber ich glaube, dass sie was auf dem Kerbholz
hatte und ihr das Jugendgefängnis gedroht hat. Die Zöglinge wussten, dass bei
einer anstehenden Verhandlung vor Gericht auch immer das Verhalten im Heim eine
große Rolle spielte, und das hat Dieter Bauer, wenn ich es richtig
zusammenkriege, ausgenutzt.« Sie winkte mit beiden Händen ab. »Aber glauben Sie
bloß nicht, dass es diesen Dingern keinen Spaß gemacht hätte. Die hatten es,
wie gesagt, doch selbst faustdick hinter den Ohren. Und Jungfrau war von denen
sowieso keine mehr, das können Sie mir glauben.«
Der Kommissar war kurz
davor, der Frau eine runterzuhauen. »Haben Sie nie darüber nachgedacht, die
Sache zur Anzeige zu bringen? Immerhin ging es hier mindestens um Nötigung,
meiner Meinung nach sogar um Vergewaltigung.«
Frau Schäfer machte eine
abfällige Geste. »Das Nest beschmutzen? Wie stellen Sie sich das vor? Dann
hätte ich mir gleich einen neuen Job suchen können. Nein danke, das wollte ich
ganz bestimmt nicht. Und Sie können mir glauben, dass ich für die Mädchen kein
Mitleid empfunden habe. Ganz und gar nicht.«
Lenz rechnete kurz nach. Vermutlich
waren die Taten an Petra Soffron verjährt, und
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