Schmusemord
zwischen den Zähnen, als er weitersprach. »Wir suchen uns ein nettes teures Grundstück außerhalb von Köln – Frechen? Bergheim? Mal sehen. Dann entwerfen wir eine Sportschule, alles innerhalb von fünf Stunden oder so, und du wirst deinen Mittelsmann anspitzen, daß er dir einen Termin mit Jüssen beschafft.«
»Wozu?«
»Du willst ihm ein interessantes Projekt vorschlagen: Beteiligung an einer luxuriösen Kampfsportschule mit Sauna, Bar, Puff und allem, was man so braucht.«
»Puff?« sagte Hermine. »Hab ich Puff gehört?«
»Zweifellos.«
»Wozu soll ich ihm das vorschlagen? Ich hab doch schon ein Antiquariat«, sagte Yü.
»Willst du eine Kampfsportschule haben? Ja oder nein!«
»Ei ... ja, verdammt; warum eigentlich nicht? Aber das wird teuer. So viel haben wir nicht.«
»Sag nicht
wir
«, murrte Daniela. »Ich will verdammt sein, wenn ich auch nur einen Pfennig in einen Puff stecke.«
»Sollst du ja gar nicht.« Baltasar tätschelte ihren Arm. »Du mußt auch keine Teddybären sammeln. Ich will nur an Jüssen rankommen, und mit einem Projekt geht das besser.«
»Und was, wenn er zustimmt?« sagte Yü.
»Dann schieben wir alles schön auf die lange Bank. Es sei denn, du willst wirklich so was bauen. Ah, noch was. Sind bei deinen Recherchen Fotos von Jüssen aufgetaucht?«
Yü nickte; sein Blick schweifte zu Hermines Schnitzwerk. »Der sieht aber auf den Bildern ganz anders aus.«
»Hab ich mir gedacht. Hermeline, o kostbare Frouwe – haben die Auftraggeber eigentlich einen Namen genannt?«
Sie kniff die Brauen zusammen. »Nee«, sagte sie nach kurzem Bedenken. »Nur, daß es ein Finanzier aus Köln ist, und daß er seinen Sechzigsten feiert, demnächst.«
»Und dann hat Komarek behauptet, das wäre Jüssen. Jüssen ist aber viel älter und sieht offenbar anders aus. Jetzt wüßte ich gern, wer da wirklich in Holz verewigt werden soll.«
* Vgl. Matzbachs Nabel
4. Kapitel
Das Leben ist zu kurz für billige Zigarren, schlechten Wein und jene Langeweile, die Kritker für Literatur halten.
B ALTASAR M ATZBACH
Der Sonntag war ruhig. Nach einem späten Frühstück, das Matzbach »lehrreich« nannte, weil er Zaches beim Vertilgen unglaublicher Mengen zusehen und dabei unglaubwürdige Geschichten von der abgebrochenen Weltreise hören durfte, verschwanden Yü und Daniela mit dem Zwerg. Hermine, des Schnitzens unlustig, lud Baltasar zu einer Tour in ihrem alten Diesel ein; sie fuhren zum Rhein, wo sie Hand in Hand ein wenig spazieren wollten, »wie es älteren Menschen zukommt«. Der Rheinuferweg war jedoch ungenießbar, da ob guten Wetters einige tausend Radfahrer zwischen Bonn und Köln marodierten und Fußgänger als Freiwild betrachteten. Diesem spezifischen Terrorismus zu entgehen, wanderten die beiden eine Weile durch die Kappesfelder und fuhren dann nach Bonn, um Kaffee zu trinken und zu sehen, ob eines der Kinos etwas Ansehnliches böte.
»Hamlet«, sagte Hermine, als sie vor einem Plakat standen.
»Wer? Ich?«
»Na ja. Du bist zwar nicht so brutal wie der, aber dafür muß ich mich auch nicht ertränken, bloß weil du dauernd zauderst.«
»Zwischen deinen Dingen ist ja auch mehr Himmel, als die Erde im Traum zuläßt.« Matzbach nahm ihre Hand und gluckste. »Von der Pfühlosophie überhaupt nicht zu reden.«
»Aber Mel Gibson ... Ich weiß nicht.«
»Ach, das paßt doch; Hamlet ist Shakespeares
lethal weapon
gegen das deutsche Regisseurtheater. Außerdem werden Holm und Bates und Scofield es schon richten.«
Bei einem argentinischen Steak kamen sie nach dem Kinobesuch überein, daß Gibson erstaunlich schlecht spiele (»er muß sich richtig anstrengen«, sagte Hermine, »und das darf man eigentlich nicht merken«), aber eine merkwürdige Ähnlichkeit mit Komarek aufweise, der erstaunlich ungenaue Angaben gemacht habe. Baltasar versuchte, sich an alle Details des Besuchs zu erinnern; Hermine bestätigte, daß Komarek beim ersten Blick auf die unfertige Büste gesagt hatte, das sei der Mann, mit dem sich Czerny beschäftigt habe, und er sei keineswegs irritiert gewesen, als sie ihm das große Foto zeigte, das ihr als Vorlage diente.
Zuhause stellten sie fest, daß die Minibirne des Anrufbeantworters blinkte. Hermine sah in Baltasars Augen.
»Ich lese da ein paar Dinge«, sagte sie, »aber keines davon hat etwas mit dem Anrufbeantworter zu tun.«
Matzbach schielte, indem er die Augen mühsam auf die eigene Nasenspitze ausrichtete. »Es nimmt mich wunder, daß du in diesen
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