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Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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gegen ihn prallte.
    »Ah, tut mir leid«, sagte Baltasar; er half dem Jungen auf die Beine und richtete Yü auf, der ebenfalls getaumelt war.
    »Macht nichts.« Der junge Mann strahlte, bleckte die Zähne und reichte Matzbach eines der Pamphlete. »Jesus ist die Antwort«, sagte er dabei.
    »Ah, das tut mir auch leid.«
    »Bitte?«
    »All die unnütze Mühe. Ich hab doch gar keine Frage gestellt. Kommt, Freunde, wir sind gleich da.«
    Vor dem Lokal drängten sich die Dürstenden um sieben Stehtische, bedudelt von einem echt antiken Leierkasten mit Handkurbel, den ein einarmiger Eskimo bediente. Jedenfalls sah der Mann aus, als habe er lange mit schmalen Augen in die Polarsonne geblickt.
    »Der braucht eigentlich noch ein Äffchen«, sagte Zaches.
    Matzbach knurrte: »Du sollst hier nicht klettern. Und außerdem bin
ich
für solche Bemerkungen zuständig.«
    Eine Kellnerin erschien, mit einem Kölschrad; die Gläser wurden ihr nicht aus der Hand, sondern gleich vom Lochtablett gerissen. Ein dürres Männlein sagte mit knarrender Stimme: »Danke, Trüüdchen.« Ein anderer, weit hinten im Gedränge und für Matzbach unsichtbar, brach in eine Art Gesang aus: »Trudi Trudi Trallala – hoch soll se leben.«
    »Trinken wir jetzt einen oder doch?« sagte Yü. »Mich dürstet, und nichts ist vollbracht.«
    »Na gut. Hier ist aber nichts mehr frei; gehen wir rein.« Matzbach übernahm die Führung; wie ein massiger Rammbock bahnte er einen Weg durchs Gequirle zum Tresen, wo er den letzten unbeanspruchten Eckplatz enterte.
    »Bist du im Zeichen des Widders geboren?« sagte Yü.
    »Määääh.« Das war nicht als Antwort gedacht und erregte die Aufmerksamkeit des Zapfers.
    »Hn?«
    »Drei Kölsch«, sagte Matzbach. »Und noch mal drei.«
    »Mhm.« Der Mann wandte sich wieder den Hähnen zu.
    »Komisches Lokal«, sagte Matzbach leise. »Ich trinke freiwillig Kölsch, der Zappes äußert sich nur in Konsonanten, der Köbes ist ne Frau namens Trudi, also, ich weiß nicht.«
    Auf einem hohen Bord hinterm Tresen prangten neben den üblichen Pokalen (zu weit, zu hoch, die Schrift zu klein zum Lesen, aber Matzbach bildete sich ein, daß zumindest einer etwas wie ein Wettsaufen verkündete) einträchtig dreierlei Wimpel, von den jeweiligen Bezirksgruppen der CDU, der SPD und der Grünen, daneben lehnten drei zerzauste und zweifellos ältere Teddybären.
    Yü war Matzbachs Blicken gefolgt; er hob das erste fertige Glas, trank, leckte sich den dünnen Schaum von der Oberlippe und sagte: »Ob die Bären für die FDP da sitzen? Oder für Karneval?«
    Matzbach zog eine Zigarre aus der Brusttasche des Hemds und berührte mit ihr Zaches’ Ohr. »Du da. Die da.«
    »Ach so.« Der Zwerg wandte den Kopf und sah der Kellnerin zu, die eben mit dem nächsten Rad hinausging. »Die beschmus ich aber gern. Ist der zuständige Monsieur auch da? Der mit den Fäusten?«
    »Keine Ahnung.«
    Yü hob die Hand, als der Zapfer zufällig wieder zu ihnen schaute. »Ist der Würselen da?«
    Kopfschütteln.
    »Diesmal nicht mal Konsonanten. Na gut. Ist aber nicht der richtige Tag fürs Schmusen, glaub ich. Zuviel los.«
    »Das meinst du.«
    Zaches hatte sein erstes Glas geleert. Als die Kellnerin zurückkam, stellte er es in die letzte freie Vertiefung ihres Tabletts, berührte flüchtig ihren Arm mit der Kuppe des Zeigefingers und sagte etwas. Yü und Matzbach, hinter ihm, konnten weder seine Mimik beobachten noch verstehen, was er da absonderte. Die Kellnerin lachte; ihr hübsches, von wohl nicht nur erfreulichen Tagen und Nächten gemasertes Gesicht bestand plötzlich aus tanzenden Einzelteilen. Sie beugte sich zu Zaches, flüsterte ihm etwas ins Ohr, richtete sich wieder auf, kicherte und ging zum Tresen.
    »Wie geht das?« sagte Yü.
    »Wird nicht verraten. Da könnte ja jeder kommen. Und Dany will bestimmt nicht, daß ich dich anlerne.«
    »Immerhin, der erste Schritt.« Matzbach legte einen Zwanziger auf den Tresen. »Mich ödet das hier an; zuviel Lärm, zuviel Volk, zuviel Ladykiller. Was ist mit euch?«
    »Der Weise, der seine Grenzen kennt, sollte sich jenseits derselben aufhalten«, sagte Yü. »Wie schon Tschu En-lai bemerkte, ist nichts dem intellektuellen Wachstum so förderlich wie schlechte Erfahrungen. Da ich aber heute nicht mehr wachsen will, würde ich sagen, laßt uns heimkehren zu den holden Frauen.«
    »Was passiert mit dem Wechselgeld?« Zaches deutete auf den Tresen, wo der Zapfer eben nach dem Schein griff.
    »Etwelche Vorschläge?«

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