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Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Unterhaltungen erlagen ganz, weil niemand mehr etwas sagen, alle lieber Jüssen schauen wollten. Eine nicht mehr ganz junge Dame preschte vor – nachdem sie von der Garderobe ein großes Paket geholt hatte, das sie auswickelte und Jüssen halboffen reichte: einen antiken Teddy.
    »Seine Majestät betreten den Salon«, murmelte Hermine. »Bis jetzt dachte ich, so was gibt’s nur auf der Bühne oder im Film. Ob das so ist, wenn unser aller Hyperkanzler irgendwo auftaucht?«
    »So ähnlich, bloß fetter.« Matzbach hob eine Braue. »Ich gebe zu, ich warte ja auch auf ihn und möchte mich gleich an ihn hängen, aber unter diesen Umständen … Es wird zur Frage der Selbstachtung, ihn gewissermaßen zu ignorieren. Ob ich ihn nicht doch einfach anrufen kann?«
    Dr. Gabrieli sah sich um, fand Matzbach und winkte. »Kommen Sie! Ich wollte Sie miteinander bekannt machen.«
    »Na gut.« Er nahm Hermines Arm und zog sie mit sich.
    Jüssens Händedruck war routiniert: kräftig, aber extrem kurz. Wie man es sich angewöhnt, dachte Matzbach, wenn man öfter zweihundertelf Hände hintereinander wegdrücken muß. Oder mehr. Er fand den großen Philanthropen aus der Nähe erheblich weniger beeindruckend; das Gesicht war eine flexible Maske der Leutseligkeit, aber die Augen kamen ihm kalt vor.
    »Es ist länger her, daß ich zuletzt hier war«, sagte Baltasar. »Ich erinnere mich, Sie damals gesehen zu haben, aber da wooß ich nicht, wer Sie sind.«
    »Wissen Sie es jetzt?« Jüssens Stimme war tief und voll, mit etwas seltsam Blechernen darin.
    »Durch einen schieren Zufall, ja. Ich sah in einem Lokal der Südstadt ein paar alte Teddybären, und als ich danach frug, erzohl mir ein Mensch, der wohl für einen Bekannten von Ihnen arbeitet, daß Sie so etwas sammeln. Und daß Sie Philosophen horten.«
    Jüssen zuckte mit keiner Faser. »Philosophen? Ah, ja, das stimmt. Aber wer ist dieser Bekannte?«
    »Kein besonders sympathischer Mensch; ich hoffe, Sie bemorken, daß ich nicht von ›Freund‹ gesprochen habe.«
    »Ich be- und vermork es. Um wen handelt es sich?«
    »Lanzerath.«
    »In der Tat. ›Freund‹ wäre übertrieben. Was ist mit den Philosophen? Sie klangen so, als verknöpfen Sie damit etwas Besonderes.«
    »Ich gelung durch Zufall in den Besitz einer umfangreichen Spezialbibliothek, die sowohl meine Bedürfnisse als auch meine Räumlichkeiten sprönge, wenn ich nichts unternähme.«
    Jüssen nickte; er schien eher gelangweilt. Als Matzbach den Namen des professoralen Vorbesitzers und Erblassers nannte, nickte der Magnat abermals.
    »Faxen Sie mir doch gelegentlich eine Titelliste zu«, sagte er. Aus der Jackentasche holte er ein krokodilenes Portefeuille, nahm eine Visitenkarte heraus und reichte sie Matzbach. Baltasar revanchierte sich; Jüssen steckte den gepunzten Pappzettel ein, ohne hinzusehen.
    Er ging bereits wenige Minuten später wieder; Dr. Gabrieli sagte, er bleibe meistens nicht lange – zwei kurze Gespräche, ein halbes Glas Sekt mit Orangensaft, mehr nicht. Matzbach und Hermine verabschiedeten sich ebenfalls; als sie hinausgingen, sahen sie einen überlangen 600er Benz in die Nacht gleiten.
    »Und jetzt?« sagte Hermine. »Hat sich das gelohnt? Hast du noch was vor?«
    »Ich finde, es war Lohnes wert. Nichtsdestominder will ich dich jetzt noch in die ultimate Südstadtkneipe schleifen.« Er trällerte leise: »Wo oft ein Teddy hinterm Tresen stand und Zaches kurzes Glück auf Trudi fand.«
    Aber Zaches und Trudi waren nicht da. Auch der Zappes war ein anderer, redselig. Sie tranken im Stehen zwei Kölsch, unterhielten sich leise, beobachteten und versuchten, nicht aufzufallen. Matzbach war ein wenig irritiert, als er feststellen mußte, daß nicht drei, sondern vier Teddys auf dem Bord hinterm Tresen hockten und zu greinen schienen.
    Gegen halb elf tauchten plötzlich zwei schlanke, sehr kräftige Männer in schwarzen Anzügen auf. Die Gäste ignorierten die beiden, aber der Zapfer schien einen Moment zu gefrieren. Die beiden hielten sich nicht auf; einer sagte:
    »Gib mal die vier Affen her. Irgendwas Wichtiges?«
    Der Zappes nahm die Teddys, reichte sie den Männern und sagte mit belegter Stimme. »Nee, alles unter Kontrolle.«
    Die Schwarzgekleideten sahen sich kurz um, beiläufig, professionell, streiften auch Baltasar und Hermine mit eher gleichgültigen Blicken und gingen. Der zweite hatte das Lokal noch nicht verlassen, als etwas düdelte. Er holte ein Mobiltelefon aus der Jacke, die er dabei

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