Schmutzengel
voller Verrückter kennengelernt
hatte, war mir diese Idee früher nie gekommen, aber wenn man sie, wie Oma und Lisbeth, außerhalb der bunten Werbewelt traf,
frappierte ihr Äußeres natürlich noch viel mehr. Ich fragte mich, wie sie dieses ständige Aus-dem-Rahmen-Fallen ertrug. Sie
konnte vermutlich niemals einfach nur eine unauffällige Person unter vielen anderen sein. Wo immer sie auftauchte, fiel sie
auf, und wer sie einmal gesehen hatte, erinnerte sich an sie. Für mich, die jahrelang gekrümmt gegangen war,um nicht überall die Größte zu sein, hatte diese Vorstellung etwas Erschreckendes.
»Ich finde das zwar auch ungewöhnlich, aber sie sieht immerhin nicht ungepflegt aus«, sagte Oma. Ungepflegtes Aussehen ist
so ziemlich das Einzige, das sie beklagenswert findet.
»Das wäre ja auch noch schöner«, entgegnete Lisbeth empört.
»Wenn du in dieser Stadt leben willst, solltest du dich wohl besser an solche Anblicke gewöhnen«, schlug Oma mit einem feinen
Lächeln vor. »Sonst musst du demnächst jedem zweiten Bewohner Düsseldorfs gute Ratschläge zu seinem Äußeren geben.«
»Ja, ich sollte mich wohl daran gewöhnen, dass der durchschnittliche Bewohner einer Großstadt psychisch ähnlich veranlagt
ist wie die Irren, die ich zeitweilig betreut habe. Nur gilt das hier als normal«, erwiderte Lisbeth.
Sie zwinkerte mir dabei heimlich mit einem Auge zu, aber Oma kannte sie gut genug, um zu wissen, dass es ihr mit dieser Bemerkung
nicht ernst war. Sie lächelte amüsiert. Vielleicht, weil ihr mein Umzug Spaß machte, vielleicht aber auch, weil Lisbeth endlich
nicht mehr bei ihr wohnte.
Damit war das Thema Trolls Haarfarbe fürs Erste erledigt, aber ich wusste, dass Lisbeth Troll in Zukunft aufmerksam beobachten
würde, um herauszufinden, warum sie sich so ungewöhnlich zurechtmachte.
Als Nicht-Freund und Vierter im Umzugs-Bunde half mir Greg, der vermutlich von seinem neuen Darling den Auftrag erhalten hatte
sicherzustellen, dass ich auch wirklich und wahrhaftig das Feld räumte. In der Hoffnung, ihm den Abschied von mir so schmerzlich
wie möglich zu machen, trug ich eine neue Jeans, die ich in freudiger Erwartungweiteren Gewichtsverlusts erstanden hatte und die mir eigentlich noch zu eng war. Ein ebenfalls eng anliegender Pullover ergänzte
meine unpassende Bekleidung, außerdem hatte ich Lippenstift aufgetragen, natürlich aus demselben Grund. Greg blickte mich
ein paar Mal sinnend von der Seite an, schaute aber immer schnell weg, wenn ich mich ihm zuwandte. Er trug zusammen mit Lisbeth
die schweren Sachen, wobei bereits in der dritten Sekunde ihrer Zusammenarbeit unzweifelhaft klar war, wer hier das Sagen
hatte. Lisbeths betonten Aufforderungen und ihrem Stirnrunzeln nach zu urteilen, war sie mit seinem Arbeitseinsatz nicht zufrieden.
Greg verschwand dann auch, so schnell es ging.
Sobald er weg war, erlöste ich meine gequetschten Bauchfalten aus der Jeans, schälte mich aus dem Pullover und wischte mir
den Lippenstift ab. Beim eigenen Umzug gut aussehen zu müssen, ist verdammt anstrengend, und so sehr ich mir gewünscht hätte,
dass Greg noch etwas blieb, so erleichtert war ich doch, endlich wieder richtig atmen zu können.
Natürlich war meine Möblierung mehr als dürftig. Ein Bett, einen Kleiderschrank und eine kleine Kommode hatte Lisbeth mir
geschenkt. Die Sachen hatten ihrer ältesten Tochter gehört. Genau so sahen sie aus. Da ich allerdings nicht wählerisch sein
konnte und Lisbeth ihren verlassenen Mann auch noch dazu verdonnert hatte, die Möbel bei mir anzuliefern, bedankte ich mich
artig und schwor mir, eisern zu sparen, um möglichst schnell aus dem Jugendzimmer herauszukommen.
Die Wohnzimmerausstattung bestand aus einem Secondhand-Sofa und einem Secondhand-Tisch sowie einem Regal, das ich aus fünf
unbehandelten Brettern und achtundzwanzig Ziegelsteinen aus dem Baumarkt selbst gebaut hatte. Ich besaß weder Fernseher noch
Radio, bekam aberLetzteres von Troll geschenkt. Damit war ich wenigstens nicht völlig von der Außenwelt abgeschnitten.
Die Küchenzeile war ähnlich minimalistisch ausgestattet, was mich nicht störte, da ich noch nie eine große Köchin gewesen
war und der Zeitpunkt meiner Unternehmensgründung sicher nicht der richtige war, um daran etwas zu ändern.
Lisbeth war entsetzt. »Kind, du willst als Unternehmerin deinen Mann stehen, da brauchst du eine vernünftige Kost.«
Ich fand die Tatsache, dass
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