Schmutzengel
gegeben«, sagte ich, weil mir gerade nichts Besseres einfiel. Außerdem stimmte es.
»Danke, sehr freundlich.« Er lächelte wieder. Dieses Zopfpulloverlächeln, das mir schon an dem furchtbaren Sonntagmorgen an
meinem Küchentisch so gut gefallen hatte. »Und Sie haben Ihren wirklich mehr als verdient. Sie haben etwas Großartiges geleistet
und sogar diverse …«, er zögerte, lächelte schräg, spitzte die Lippen und fuhr dann fort »… Schwierigkeiten bravourös gemeistert.«
Ich spürte, wie ich rot wurde.
»Und außerdem sind Sie die bezauberndste Unternehmerin des Jahres, allein dafür hätten Sie schon eine besondere Auszeichnung
verdient.«
Bezaubernd. Schon wieder dieses Wort. Aus seinem Mund klang es nicht lächerlich oder antiquiert, sondern schlicht – bezaubernd.
Fast hätte sein Kompliment dazu geführt, dass ich meine Frage vergessen hätte.
»Was ich Sie immer noch fragen wollte …«, sagte ich, hielt dann aber inne. Das war jetzt nicht der passende Moment dafür.
Aber Lauenstein hatte schon verstanden, was ich meinte. »Ich weiß, was Sie fragen wollen. Ja, es war mein Vater. Das war schon
ein komisches Gefühl, den vermissten Vater wiederzufinden, um ihn sofort wieder zu verlieren«, er stockte, »na ja, dafür bin
ich inzwischen offiziell Inhaber und Geschäftsführer der Lauenstein Bestattungs-GmbH, und meine Mutter hat ihren Hochzeitstermin
festgelegt.«
»Herzlichen Glückwunsch.«
»Danke. Außerdem kann ich jetzt das Haus endlich verkaufen.«
»Wie schade«, entfuhr es mir.
Er blickte mich irritiert an. »Sagen Sie nicht, dass Ihnen das Haus gefällt. Es ist ein dunkler Kasten voller unangenehmer
Erinnerungen und viel zu groß für mich allein.«
Ich schüttelte entschieden den Kopf. »Aber dann verliere ich ja einen guten Kunden.«
»Ich habe schon ein neues Objekt im Visier.« Er lächelte. »Nicht so groß wie das alte. Aber als Kunde bleibe ich Ihnen wohl
erhalten.«
»Das sollten wir feiern. Am besten mit einem tollen Essen. Ich verhungere gleich.« Ich hatte die Worte hervorgesprudelt, ohne
darüber nachzudenken, und stand jetzt perplex vor meinem Kunden. Ich wollte doch Geschäftliches und Privates strikt trennen.
Abgesehen davon hatte ich noch nie einen praktisch wildfremden Mann angesprochen, um ihn zum Essen einzuladen. Lauensteins
Gesicht zeigte deutlich, dass seine Überraschung so groß war wie meine. Dann lächelte er erfreut, runzelte aber gleich darauf
die Stirn und warf einen raschen Blick zu Greg, der seine andächtigen Zuhörer immer noch mit Anekdoten aus der wilden, bunten
Werbewelt unterhielt.
»Was wird denn Ihr Freund dazu sagen? Sie wollen doch sicher lieber mit ihm …?«
»Mein Exfreund«, warf ich blitzschnell ein, »und ich will ganz sicher nicht mit ihm …«
Aber dann fiel mir auf einmal Oma ein. Ich hatte für uns beide einen Tisch im Drehrestaurant des Fernsehturms reserviert –
ganz kitschig, wie sie es sich gewünscht hatte. Nein, ich würde es nicht übers Herz bringen, diese Verabredung abzusagen.
Wo war sie überhaupt? Ich hatte michnoch nicht ganz umgedreht, als ich schon ihre Hand an meinem Rücken spürte. »Alles Gute, mein Liebes«, raunte sie mir mit
Verschwörermiene zu. »Mach dir keine Gedanken um mich, ich feiere mit den anderen. Und dir viel Spaß im Restaurant. Eine Tischreservierung
hast du ja schon.«
Sie strahlte mich an, warf mir noch eine Kusshand zu und verschwand.
Völlig perplex drehte ich mich wieder zu Lauenstein um, der mich fragend anblickte.
»Meine Oma«, stammelte ich. »Die beste Oma der Welt!«
Er lachte. »Und klug scheint sie auch zu sein.«
Er hatte seine Hand auf meinen Unterarm gelegt und dirigierte mich sanft durch die Menge. Seine Nähe, die Wärme seiner Hand
auf meinem Arm waren mir auf einmal so vertraut. Ich musterte ihn unauffällig von der Seite. Wenn mir das mal jemand prophezeit
hätte, dass ich mit einem Bestattungsunternehmer …
»Wo wollen wir denn jetzt hingehen?«, unterbrach Lauensteins Stimme meine Gedanken.
Informationen zum Buch
Job weg, Freund weg und Wohnung so gut wie weg. Aber Corinna (31) wäre nicht die Enkelin ihrer patenten Oma aus der Eifel,
wenn sie sich nicht umgehend an die Neugestaltung ihres Lebens machen würde, und zwar mit einer genialen Geschäftsidee: Sie
gründet die »Schmutzengel« – ein Dienstleistungsunternehmen, das gestressten Managern und unbeholfenen Muttersöhnchen die
Organisation
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