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Schmutzengel

Titel: Schmutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gut dabei. Mit vollem Magen und dem Gefühl, endlich auf dem Sprung in mein neues Leben zu sein, schlief ich
     wie ein Murmeltier.

5
    Ein Umzug ist eine gute Gelegenheit festzustellen, wie viele Freunde man hat. Ich hatte drei: Troll, Lisbeth und meine Oma,
     die allerdings rein körperlich keine große Hilfe darstellte. Dafür konnte sie wieder einmal zeigen, dass ihre unerschütterliche
     Ruhe und totale Toleranz unabdingbare Qualitäten in einer Welt sind, in der Menschen wie Troll und Lisbeth aufeinanderprallen.
     Also in meiner Welt, die sowieso gerade aus einem ziemlichen Durcheinander bestand und deren herausragende Eigenschaft der
     Mangel war. Mangel an Geld, Einkommen und Liebe. Auch Möbel und Freunde waren nicht im Übermaß vorhanden, und zwei der drei
     Freunde waren gleich bei der ersten Begegnung wie Hund und Katze, Materie und Antimaterie. Wobei ich nicht so genau weiß,
     wer von beiden Materie oder Antimaterie war.
    Troll jedenfalls trug am Tag meines Umzugs ihr Haar in exakt der Farbe, die die Schutzwesten von Straßenarbeitern oder auch
     diese kleinen, kegelförmigen Pylonen, die an Baustellen stehen, haben, kombiniert mit grellweißen Reflektorstreifen. Auf Reflektorstreifen
     hatte Troll verzichtet, aber durch das Neonorange sah sie auch ohne Lichtreflexe aus wie ein Straßenmöbel. Lisbeth blinzelte
     mehrfach, bevor sie ihre Sprache wiederfand.
    »Ich kann Ihnen Sauerstoffbleiche geben«, sagte sie zur Begrüßung. »Damit geht das wieder raus.«
    Ich musste mir ein Grinsen verkneifen. Der Pragmatismus meiner Oma ist nichts im Vergleich zu Lisbeths. Ich gratulierte mir
     wieder einmal zu meiner ersten Angestellten.
    Ob Troll sich über die Bemerkung ärgerte oder nicht, ließ sich nicht erkennen, denn sie schleppte gerade eine Palme vorbei,
     wodurch ihr Gesicht hinter den länglichen Blättern verborgen blieb. Nur die Haarfarbe leuchtete durch das Grün. »Ich kann
     mich leider nicht revanchieren«, antwortete sie etwas atemlos, denn der Pflanztopf war ziemlich schwer. »Ich kenne weder ein
     Hausmittel gegen Diallele noch eins gegen Gesichtskannelüren.«
    Lisbeth runzelte die Stirn und fragte, was diese Worte zu bedeuten hätten, aber Troll war bereits im Treppenhaus und trug
     die Pflanze zum Auto.
    Natürlich erwartete Lisbeth die Antwort nun von mir, aber ich hütete mich, ihr zu erklären, dass Diallele ein gebildet klingender
     Ausdruck für einen Fehlschluss ist. Die Art, im Kreis zu denken und nichts dazuzulernen. Ein beliebter Begriff bei den Kreativen
     von AIQ, die eine Zeit lang das Motto »Kampf der Diallele« auf die große Tafel in ihrer Kreativwerkstatt geschrieben hatten
     und Kampagnen entwickeln wollten, die die dummen Konsumenten mit unerwarteten Einblicken und Aha-Erlebnissen verblüffen sollten.
     Ich kann mich nicht erinnern, ob es ihnen gelungen ist. Die Kannelüren musste ich selbst später im Fremdwörter-Duden nachschlagen,
     um herauszufinden, dass es sich um senkrechte Rillen am Schaft antiker Säulen handelt. Für Lisbeths faltige Haut im Gesicht
     und am Hals war der Begriff dann doch leicht übertrieben.
    Inzwischen versuchte Oma Lisbeth zu erklären, dass die junge Frau ihr Haar vermutlich absichtlich so gefärbt habe.
    »Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Lisbeth und blickte mich an. »Nein. Oder?«
    Ich nickte.
    »Was hat sie für ein Problem?«, fragte Lisbeth sachlich.
    Für Lisbeth besteht die Welt aus Problemen und deren Lösung. Ganz sachlich. Je ein Problem und eine Lösung bilden dabei eine
     Einheit. Das Leben ist eine Abfolge dieser Einheiten. Problem   – Lösung. Nächstes Problem – nächste Lösung. Dabei kann ihre Sachlichkeit einem normalen Menschen mit einem normal dimensionierten
     Gefühlsleben furchtbar auf den Geist gehen, aber ich benötigte genau so eine Person als verantwortliche Mitarbeiterin. Also
     versuchte ich, ihr nicht allzu deutlich zu widersprechen.
    »Sie hat kein Problem«, sagte ich. »Sie findet das schön.«
    Selbst Oma, die wirklich überirdisch tolerant ist, wirkte etwas verunsichert.
    Lisbeth überlegte einen Moment.
    »Blödsinn«, sagte sie dann.
    Zum ersten Mal wurde mir bewusst, wie wenig ich Troll wirklich kannte. Warum kleidete sie sich so auffällig? Warum färbte
     sie sich die Haare so bunt, dass sie immer auffiel? Oder fiel sie durch ihre mangelnde Größe sowieso auf und war lieber »die
     Verrückte mit den bunten Haaren« als »die Kleinwüchsige«? Da ich sie bei AIQ, also in einem Stall

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