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Schmutzengel

Titel: Schmutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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ich.
    »Putzen?«, fragte Mutter mit schrillem Unterton.
    Als ich ihr von meiner Selbstständigkeit am Telefon erzählt hatte, war sie entsetzt gewesen, dass ich nun putzen ging, und
     hatte seitdem nie wieder mit mir und vermutlich auch mit keinem anderen Menschen darüber gesprochen.
    »Nein, ich muss mein Auto abholen.«
    »Oh«, sagte mein Vater mit erwachendem Interesse. »Ist es in der Werkstatt?« Technik ist das einzige Thema, auf das er anspricht,
     denn davon versteht er etwas. Er ist Ingenieur und tüftelt gern.
    »Das hab ich dir doch gleich gesagt, als du dir einen alten Gebrauchtwagen gekauft hast«, sagte Mutter. Sie hat meinen Wagen,
     der drei Jahre alt und tipptopp in Ordnung ist, noch nie gesehen.
    »Er ist abgeschleppt worden, weil ich das Halteverbotsschild auf der nassen Fahrbahn nicht erkennen konnte«, sagte ich zu
     meinem Vater. Ich wusste, er würde Verständnis für meine Nachlässigkeit aufbringen.
    Er lächelte.
    »Tja, wenn man den Kopf nicht da hat, wo die Hände sind«, sagte Mutter.
    »Sollen wir dich hinfahren?«, fragte Vater.
    »Erst zeigt Corinna uns mal die ganze Wohnung, nicht wahr? Jetzt, wo wir schon einmal da sind.«
    Ich rang mit mir. Einerseits war die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu dem Abstellplatz in der Nähe des Flughafens
     extrem umständlich, andererseits war ich mir nicht sicher, ob ich eine Minute länger als unbedingt nötig mit meiner Mutter
     verbringen wollte. Streit war bei uns einfach vorprogrammiert. Ich war als Nachzügler geboren worden zu einem Zeitpunkt, als
     meine Mutter ihre Familienplanung eigentlich als abgeschlossen betrachtet hatte. Meine Geburt stellte sie vor das Problem,
     dass sie mit der Rückkehr in ihren geliebten Beruf nun weitere drei Jahre warten musste. Die einzige Person, die ihr bei der
     Kinderbetreuung helfen konnte, war die Schwiegermutter mit dem Bauernhof, die so gar nicht zu der gesellschaftlichen Schicht
     gehörte, zu der meine Mutter sich zugehörig fühlte und in der sie sich beruflich bewegte. Unsere Beziehung war also von Anfang
     an belastet gewesen und über die Jahre nie wirklich spannungsfrei geworden.
    Meine Mutter öffnete gerade die Tür zum Schlafzimmer.
    »Ziemlich klein«, sagte sie. »Aber ausreichend für eine alleinstehende Frau   …«
    Der Ton machte deutlich genug, was sie von alleinstehenden Frauen in meinem Alter hielt.
    Mein Vater schaute mich an und zuckte wieder mit den Schultern. Dann warf auch er einen Blick in mein Schlafzimmer. »Gemütlich.«
    Ich schenkte ihm ein Lächeln.
    »In deinem Alter«, begann Mutter, und ich wusste, was jetzt kam, »war ich schon verheiratet und Mutter. Na, ein paar Jahre
     hast du ja noch Zeit. Und besser später als zu früh.«
    Vater schüttelte resigniert den Kopf.
    Dass meine Oma nur sechzehn Jahre älter war als mein Vater, fand meine Mutter skandalös. Als Kind hatte ich schon die gezischten
     Worte vom sittenlosem, Landleben und von Bauernlümmeln im Heu aufgeschnappt, als ich noch nichts damit anzufangen wusste.
     Aber ich ahnte, dass Oma etwas falsch gemacht haben sollte. Im Gegensatz zu meiner Mutter redete Oma offen mit mir über diese
     Dinge, und aus ihrer Sicht klang die Geschichte ganz anders. Meine Mutter wirkte dagegen spießig und voll Neid. Einmal wagte
     ich sogar die Frage, ob meine Mutter mit Mitte zwanzig wirklich immer noch freiwillig Jungfrau war oder einfach noch keinen
     Interessenten gefunden hatte. Dafür fing ich mir die einzige Ohrfeige meiner Pubertät.
    Nun waren meine Mutter und meine Oma nur siebzehn Jahre auseinander und sahen sich verhältnismäßig ähnlich. Sie waren fast
     gleich groß, beide stark gebaut, wie man bei uns auf dem Land sagte, und beide trugen ihr Haar immer schon kurz. Omas Kurzhaarfrisur
     wirkte allerdings sportlich-flott, Mutters hingegen altbacken.
    Oma hatte einen guten Geschmack in Sachen Kleidung, den sie jetzt, da sie den Bauernhof nicht mehr hatte, endlich ausleben
     konnte. Sie trug gern Jeans zu Leinenblusen oder modischen Pullovern, während meine Mutter in grauen Faltenröcken und Twinsets
     wie eine Erzieherin aus einem Film der Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts wirkte.
    Die beiden wurden häufig für Schwestern gehalten, was meiner Mutter natürlich missfiel, zumal Oma mit ihrer frischen Gesichtsfarbe
     und ihrem offenen Wesen oft sogar als die jüngere der beiden durchging. Das Verhältnis der beiden war also durchaus angespannt,
     und im Zweifelsfall hielt ich immer zu Oma,

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