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Schmutzengel

Titel: Schmutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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denn eins war klar: Ich vergötterte meine Oma und meine Oma vergötterte mich.
    »Dein Bruder lässt grüßen«, sagte Mutter übergangslos. »Er findet auch, du solltest dir wieder eine richtige Arbeit suchen.
     Das ist doch sicherer als die Selbstständigkeit.«
    Mein Bruder Hans, der geplante und willentlich empfangene Stammhalter, ist Beamter im Kreisforstamt und kennt sich daher in
     der freien Wirtschaft natürlich hervorragend aus. Eigentlich ist er aber ein netter, wenn auch recht antriebsarmer Kerl. Ordnungsgemäß
     verheiratet mit einer ebenfalls beamteten Sachbearbeiterin der Kreisverwaltung, ungewollt kinderlos.
    »Dort ist das Bad«, ich zeigte auf die Tür, drängte meine Eltern aber schon in Richtung Büro, »und hier arbeite ich.«
    Mein Vater schaute sich mit anerkennendem Blick um. Er hatte zuletzt für eine kleine Spezialgeräte-Firma gearbeitet, deren
     Büros dreißig Jahre nicht renoviert worden waren.
    »Hell, modern, alle Achtung«, sagte er.
    »Hier zieht es aber gewaltig«, sagte meine Mutter.
    »Also, es wäre wirklich toll, wenn ihr mich zu meinem Auto bringen könntet«, sagte ich entschlossen und zog Jacke und Schuhe
     an. »Ich bin dann so weit.«
     
    Meine Mutter bestand darauf, bei der Autoübergabe dabei zu sein. »Man weiß nie, was auf so einem Gelände alles passieren kann«,
     sagte sie. »Immerhin ist das ja hier nicht die beste Gegend.«
    Sie hat viele Jahre als persönliche Assistentin eines Großgrundbesitzers auf seinem schlossähnlichen Anwesen gearbeitet und
     fühlt sich daher dem gemeinen Volk deutlich überlegen.
    »Das ist nicht nötig, Mama, ich kann mein Auto allein abholen. Danke fürs Herbringen. Tschüss, Papa.«
    »Mach’s gut, mein Engel.«
    Seit Ewigkeiten hatte mein Vater mich nicht mehr so genannt.Seit ich es ihm verboten hatte, genau gesagt. Damals war ich acht oder neun Jahre alt und Karneval stand vor der Tür. Ich
     wollte kein Engel, sondern ein Teufel sein. Natürlich durfte ich es nicht, zumindest nicht bei meiner Mutter. So kam ich zu
     zwei Kostümen: einem Engelskostüm, mit dem meine Mutter mich in die Schule schickte, und einem Teufelskostüm, das meine Oma
     mir heimlich genäht hatte und das ich auf dem Schulklo anzog.
    »Mach ich, Paps.« Wir warfen uns im Rückspiegel einen verschwörerischen Blick zu. Ganz kurz flackerte das Gefühl auf, dass
     alles gut werden würde.
    Ich stieß die Tür auf.
    »Ich komme besser mit«, wiederholte Mutter, befahl meinem Vater, den Motor abzustellen und vor dem Gelände auf uns zu warten.
     Ich stürmte die Stufen hoch in der Hoffnung, meine immer etwas kurzatmige Mutter abzuhängen, aber die Tür war verschlossen
     und bis ich eingelassen wurde, hatte meine Mutter mich eingeholt.
    »Hallo, ich bin Corinna Leyendecker und möchte mein Auto abholen.« Ich legte Kfz-Schein und Personalausweis auf die Theke.
    Die Dame hinter der Theke nahm die Dokumente, tippte auf ihrer Computertastatur herum, druckte Belege aus und kassierte eine
     für meine Begriffe unverschämte Gebühr.
    »Ist der Parkplatz wenigstens bewacht?«, fragte meine Mutter.
    »Sicher besser als der, wo der Wagen unrechtmäßig geparkt war«, gab die Frau am Schalter zurück.
    Offenbar konnte sie den inquisitorischen Ton meiner Mutter genauso wenig ertragen wie ich. Ich grinste.
    »Ihre patzige Art wird Ihnen nicht helfen, wenn an dem Wagen auch nur ein winziger Kratzer ist, der vorher nicht dran war.«
    »Mama, nun reg dich ab. Es ist sicher alles in Ordnung.« Ich zuckte mit den Schultern und lächelte entschuldigend – vermutlich
     genauso, wie mein Vater es immer tat.
    »Der Wagen steht da drüben. Sie gehen hier herum und fahren durch diese Schranke raus. Ich sehe Sie von hier aus und öffne
     den Schlagbaum. Sie brauchen nicht drücken und es gibt auch keine Münze oder so was.«
    Ich nickte der netten Dame noch mal verschwörerisch zu und ging zu meinem Auto. Meine Mutter folgte mir mit energischem Schritt.
     Ich meinte, meinen Herzschlag bis in die Wimpern zu spüren. Ich ging einmal um mein Auto herum und sog prüfend die Luft durch
     die Nase ein. Ich roch nichts. Das musste allerdings nichts heißen, denn wegen der Erkältung hätte ich vermutlich noch nicht
     einmal einen in Brand geratenen Stapel Altreifen riechen können.
    Meine Mutter machte einen Inspektionsgang um mein Auto.
    »Ganz hübsch«, sagte sie. »Allerdings ziemlich klein.«
    Mein Auto ist ein Kleinwagen, aber keine Mikroklasse. Blaumetallic. Ich hatte darüber

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