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Schmutzengel

Titel: Schmutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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mir zu und verschwand dann nach hinten aus meinem Blickfeld.
    Endlich gingen die Ehrungen los. Die Herren in den dunklen Anzügen stellten die Nominierten namentlich vor, dann wurde jeweils
     ein kurzer Film eingespielt.
    Der Oscar in der ersten Kategorie ging an den dicksten, in der zweiten an den ältesten Nominierten und in der drittenKategorie an Greg. Er strahlte, als er auf die Bühne gerufen wurde, bemühte sich um einen einigermaßen gefassten Gesichtsausdruck,
     als er die Auszeichnung in Form eines Plexiglas-Würfels entgegennahm, und sagte ein paar Dankesworte, bei denen er mich anblickte.
     Vielleicht saß aber Sue irgendwo hinter mir, und er schaute in ihre Augen statt in meine, so genau konnte ich das auf die
     Entfernung nicht erkennen. Jedenfalls wurde es jetzt spannend, denn die nächste Kategorie war die Unternehmensgründung.
    Während des ersten Films wurden meine Handflächen feucht, während des zweiten meine Achseln, der dritte, in dem die Schmutzengel
     vorgestellt wurden, beschleunigte meinen Herzschlag. Ich war viel zu aufgeregt, um irgendetwas auf der Leinwand erkennen zu
     können, aber Oma zerquetschte mir fast die rechte Hand und strahlte über das ganze Gesicht. Der vierte Beitrag beschleunigte
     meine Atemfrequenz und der fünfte ging völlig an mir vorbei. Ich wusste, dass ich keine Chance hatte, aber ich war trotzdem
     aufgeregt.
    »Der Gewinner in der Kategorie des innovativsten Startups ist   …«
    Der Verlagsleiter nestelte an dem Umschlag herum, zog eine Karte heraus, drehte sie herum und vollendete den Satz: »…   Corinna Leyendecker mit ihren Schmutzengeln.«
    Ich klatschte mit den anderen mit, bis mich Lisbeth, die auf der linken Seite saß, anstieß.
    »Hör auf zu klatschen«, flüsterte sie mir zu. »Du hast gewonnen.«
    Hatte ich richtig gehört? Ich blickte zu dem Mann auf dem Podium, der auffordernd zu mir herunterschaute.
    »Das ist ein Versehen«, flüsterte ich zurück, aber nun zog auch Oma an meinem rechten Arm.
    »Blödsinn«, zischte Lisbeth. »Geh auf die Bühne.«
    Ich nestelte an meiner Handtasche herum, die ich über die Armlehne gehängt hatte.
    »Die Tasche brauchst du nicht«, flüsterte Lisbeth. »Hoch mit dir. Du machst das schon.«
    Sie gab mir einen kräftigen Stoß in den Rücken, ich taumelte auf meinen hohen Absätzen nach vorn, meisterte die vier Stufen
     auf die Bühne, ließ mir von völlig Unbekannten die Hand schütteln und wurde dann wie eine Marionette so herumgedreht, dass
     ich frontal zum Publikum stand.
    Der Saal war riesig, das war mir vorher gar nicht aufgefallen, und er war gestopft voll. Ungefähr hundert Menschen saßen dort
     auf den unbequemen Stühlen und klatschten. Sie klatschten für mich! Ich konnte es nicht fassen. Mein Blick glitt hilflos über
     die Menge, bis er an einem purpurfarbenen Haarschopf hängen blieb. Tabea stand in der letzten Reihe und hatte die Arme nach
     oben gerissen. Sie klatschte wie bei einem Rockkonzert.
    Meine Augen suchten Lisbeth und Oma. Beide strahlten mich an und nickten mir aufmunternd zu.
    Der Mann an meiner rechten Seite ergriff meinen Arm und zerrte mich vor das Mikrofon. Himmel, die erwarteten, dass ich was
     sagte! Darauf war ich überhaupt nicht eingestellt.
    Der Applaus verebbte. Plötzlich war es still. Ich räusperte mich.
    »Ich bin völlig überrascht und empfinde mich nicht als jemand Besonderes, dem ein Preis gebührt«, sagte ich mit kieksiger
     Stimme. Ich räusperte mich noch einmal. »Im letzten Herbst verlor ich meine Arbeitsstelle und musste mich neu orientieren.
     Die Idee, mich selbstständig zu machen, kam mir ganz spontan, während eines eher unerfreulichen Vorstellungsgesprächs.«
    Mein Blick fiel auf Greg. Er lächelte.
    »Den Firmennamen und die tolle Werbung, die Sie so gelobt haben, verdanke ich meiner Freundin und Beraterin Tabea Trollinger.«
    Applaus. Tabea hüpfte wie ein Flummi auf und nieder. Greg klatschte nicht, Oma und Lisbeth dafür umso mehr.
    »Für die Qualität der Arbeit und für das Personal ist Lisbeth Baues verantwortlich.«
    Wieder Applaus. Lisbeth warf mir eine Kusshand zu. Sie blinzelte auffällig. Oma rutschte auf meinen Platz herüber und umarmte
     Lisbeth von der Seite. Diese beiden kleinen Frauen, Stützen meiner Existenz, hatten doch tatsächlich feuchte Augen.
    Mein Blick fiel auf Lauenstein. Er strahlte.
    »Ich habe den angenehmsten Job von allen: Ich sitze im Büro, nehme Aufträge entgegen und mache mir nicht die Hände

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