Schmutzengel
darin, den Anweisungen des Stiltrainers zu folgen und meinen Kleiderschrank
auszumisten. Ich sortierte meine gesamte Kleidung auf zwei Stapel. Schwarze Hosen und Jacketts, weiße Blusen und alles in
knalligen Farben wie Rot, Orange oder Grün landeten im Altkleidersack. Übrig blieb eine sehr kleine Menge an Jeanshosen, hellblauen
Blusen und Oberteilen in gebrochenem Weiß. Ich zählte genau drei Hosen und sechs Oberteile. Ich seufzte. Damit würde ich nicht
über die Runden kommen. Ich brachte die aussortierten Teile zu einem gemeinnützigen Kleiderladen und klapperte an einem einzigen
Samstag mindestens fünfzehn Geschäfte nach dunkelblauen Businesskostümen und bezahlbarer Freizeitkleidung ab. Kurz bevor ich
frustriert aufgeben wollte, weil ich mir die unglaublichen Preise für einigermaßen angemessene Geschäftskleidung nicht leisten
konnte, bekam ich den Tipp, es im Secondhandladen zu versuchen.
Noch nie in meinem Leben hatte ich Gebrauchtkleidung gekauft, aber angesichts der Differenz zwischen meinem Bedarf und meiner
Finanzlage wollte ich einen Versuch wagen. Bingo! Drei Kostüme, sieben Blusen, zwei Pullover und drei Jeans sprangen für mich
raus. Die Kostüme sahen aus, als wären sie überhaupt nie getragen worden. Sie kosteten noch nicht einmal ein Zehntel des normalen
Preises.
»Wo ist der Haken?«, fragte ich die Inhaberin, die mir bei der Auswahl half.
»Die Schnitte sind nicht mehr ganz modern«, erklärte sie mir und zeigte auf die Reversform oder den Rocksaum. Na, wenn’s weiter
nichts ist, dachte ich mir und verließ mit meiner Beute den Secondhandladen als glückliche Frau. Endlich hatte ich die zu
mir und meiner Selbstständigkeit passende Kleidung – und zwar in Größe achtunddreißig. Zwar war der Grund meines Gewichtsverlusts
mehr als unangenehm gewesen, aber das Ergebnis gefiel mir. Ich schwor mir, dieses Gewicht zu halten und meldete mich auch
gleich in einem Fitness-Studio an, um dort zweimal wöchentlich die angebotenen Aerobic- und Pilateskurse zu besuchen.
Jetzt fehlte nur noch eins: eine neue Frisur.
Bewaffnet mit dem Ausdruck, den Byrone mir von der computeranimierten Frisur gemacht hatte, begab ich mich mit klopfendem
Herzen in die Hände einer Stylistin, die mein dünnes Haar immer wieder knetete, einen prüfenden Blick auf das Bild in ihrer
Hand warf und mir dann mit strahlendem Lächeln erklärte, dass das alles machbar sei. Eine gefühlte Ewigkeit später hielt sie
mir den Spiegel so, dass ich den von Byrone so gelobten Hals vom Haaransatz bis zum vierten Halswirbel in seiner ganzen Blöße
betrachten konnte. Ich fühlte mich nicht nur von sieben Zentimetern Haarlänge, sondern generell von einer schweren Last befreit
und gab ihr ein Trinkgeld, das ich mir kein zweites Mal würde leisten können.
Mein Leben hätte nun schön und erfüllt sein können. Tagsüber arbeitete ich fleißig und engagiert für die Schmutzengel, abends
ging ich spazieren oder zum Sport, gelegentlich auch ins Kino oder mit Lisbeth ins Theater. Meistensallerdings saß ich zu Hause und las. Ich fühlte mich jung, gesund und erfolgreich, aber allein. Ich aß allein, schlief allein
ein und wachte allein auf. Ich ging allein spazieren, allein ins Kino und nie in eine Kneipe, denn das traute ich mich allein
nicht. Ich traf einige interessante Männer, die meine Kunden wurden, aber ich redete mir ein, dass geschäftliche und private
Beziehungen niemals zu mischen seien. Tatsächlich war es so, dass ich es gar nicht gewagt hätte, den ersten Schritt zu einer
tiefer gehenden Beziehung zu unternehmen, und von den besagten Herren schien sowieso keiner Interesse an einer privaten Bekanntschaft
mit mir zu haben. Und ich wäre ja auch gar nicht bereit dazu gewesen, denn ich hing ja immer noch an Greg.
An meinem Plan, ihn zurückzuerobern, hielt ich eisern fest.
So weit kam es Gott sei Dank nicht, denn der Himmel schickte mir ein Zeichen.
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Jedes Jahr verleiht ein ortsansässiger Wirtschaftsverlag den Wirtschafts-Oscar an Menschen, die sich in ihrem Geschäftsfeld
besonders profiliert haben. Die Auszeichnung wird in unterschiedlichen Sparten vergeben, vom gelungensten Generationswechsel
über den wichtigsten Mitarbeiter bis zum innovativsten Start-up. In jeder Kategorie werden fünf Personen oder Unternehmen
nominiert. Die Schmutzengel waren eines davon.
Mir fiel fast das Schreiben aus der Hand, das ich zuerst für Werbung gehalten und beinahe
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