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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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jeden Fall unerreichbar für Donatoni, diese Nervensäge. Einladungen und Abendessen wurden im letzten Augenblick abgesagt. Skandalreporter, die sich plötzlich mönchisches Schweigen auferlegten. Die befreundete Presse in Luft aufgelöst. Ergebnis: Endlose Zahlungen
à fond perdu
. Giulio Gioioso war der Einzige, der ihm geblieben war. Giulio Gioioso, der Maya begehrte.
    Neun.
    Giulio Gioioso hatte nie die Straße kennengelernt, hatte nie in die Fäuste gespuckt, einen Tropfen Schweiß vergossen. Giulio Gioioso war groß, blond, mit guten Manieren und gewähltem Ausdruck auf die Welt gekommen, beflissen und charmant. Ihre Wege hätten sich nie gekreuzt, wenn er es nicht gewollt hätte. Er hatte den Schmerzensschrei ausgestoßen. Giulio Gioioso hatte ihn vernommen und ihn wieder zum Gipfel geführt. Aber dieser Gipfel offenbarte sich jetzt als Abgrund.
    Zehn.
    Giulio Gioioso erhob nie die Stimme. Giulio Gioioso drohte nicht. Giulio Gioioso schaute seinem Gegenüber in die Augen und schüttelte den Kopf.
    Elf.
    Er dachte an Kampf. Er träumte von Widerstand. Der Gründer hätte wahrscheinlich Truppen aufgestellt. Der Gründer hätte Anarchisten bezahlt und die Zentrale in die Luft sprengen lassen. Der Gründer hätte den Krieg erklärt und bis zuletzt gekämpft. Der Gründer stand auf, wenn er von den Partisanen sprach. Der Gründer hätte sich nie auf einen wie Giulio Gioioso verlassen. Aber er war nicht der Gründer. Er war ein Epigone. Ein unwürdiger Epigone.
    Zwölf.
    Sein Herz drohte zu explodieren. Ein Wal, der um Luft rang, ein Delfin, der grau geworden war. Dreißig Runden würde er niemals schaffen. Eine Möglichkeit gab es noch. Verschwinden. Auf immer und ewig. Er würde Maya und die Kleine ins Ausland schicken. Alle Aktivitäten abbrechen. Dann ein Pistolenschuss. Eine Möglichkeit gab es noch. Freiheit und Tod verbinden. Eine Möglichkeit gab es noch. Sein Herz drohte zu explodieren. Später, vielleicht, später …
    Ilio Donatoni kletterte keuchend die Leiter am Bug hinauf. Ein beflissener Matrose bot sich an, ihm beim Abstreifen des Neoprenanzugs zu helfen. Ilio schickte ihn mit einer entschiedenen Geste weg. Giulio Gioioso blickte ihn ängstlich an, einen Pfeifenstiel zwischen den wohlgeformten Lippen.
    – Und? Hast du eine Entscheidung getroffen?
    – Ist gut. Akzeptiert.
    Giulio Gioioso seufzte vor Erleichterung.
4.
    Maya liebte Forte. Maya liebte das tiefblaue Meer in der Nachsaison, die schäumenden Wellen, in denen sich das blendende Weiß der Apuanischen Alpen spiegelte, die Helligkeit, die von einem aggressiven Dunstschleier verdeckt wurde, der sogar die Biegung des Horizonts zu verschlucken drohte.
    Maya liebte Forte. Sie lag auf einem Strandbett zwischen zwei Kabanen, im Gleichklang mit dem unregelmäßigen Atem der Wellen, es gelang ihr sogar, das unerträgliche Gejeier der Bendonati-Richter zu ignorieren, die sich darüber beklagte, wie schwierig es heutzutage sei, verlässliches Personal zu finden. Bea Montalentis Tratsch über die allerneuesten Neuigkeiten. Den Bericht über eine Gewerkschaftsverhandlung, während der Ingenieur Perrot den Chefs der roten Dreifaltigkeit klipp und klar die Meinung gesagt hatte. Den Hass, mit dem Ramino Rampoldi, ein aufstrebender junger Sozialist, seinen Genossen Mario Chiesa verfluchte, weil er sich mit den Händen in der Tasche oder besser gesagt im Banknotenbündel erwischen hatte lassen und somit den ehrenwerten Namen der makellosen Partei in den Dreck gezogen hatte.
    – Craxi hat dem Gauner allerdings die Meinung gesagt! Und raus aus der Partei, augenblicklich, ohne lange rumzufackeln.
    – Craxi ist erledigt, stimmt’s, Ramino?
    – Du wirst schon sehen … ihr werdet alle sehen!
    Manchmal, wenn sie sicher war, dass niemand sie beobachtete, hob Maya die Binde von dem konvaleszenten Auge und bemühte sich, die Boje eines Tauchers oder das Segel eines Windsurfers scharf zu sehen. Das Auge war noch immer schwach. Die Netzhaut beschädigt: Sport ade! Sofern sie nicht gewisse avancierte, allerdings nicht wirklich erprobte Techniken an sich ausprobieren wollte … Maya vertraute der Wissenschaft, aber vor allem vertraute sie ihrem zähen Willen. Sie war die Tochter des Gründers, verdammt noch mal. Der Unfall hatte ihr eine Pause gewährt. Die Ablösung der Netzhaut als Metapher für die Ablösung vom Alltag. Zeit, Bilanz zu ziehen. Goldene Kindheit, privilegierte Jungmädchenzeit, glanzvolle Jugend, Ehe, Kinderkriegen, Erziehung. Das Beste,

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