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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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vulgär wie der Mann mit den plumpen Fingern, der sie aus einem zerknüllten, fettigen Päckchen mit undefinierbaren Flecken gefischt hatte.
    – Danke.
    – Wenn Sie jemanden brauchen, Signora, der Sie nach Hause begleitet, ich habe in zwanzig Minuten Dienstschluss …
    Merkwürdig, dass man sie dennoch begehrenswert fand. Trotz des zerfetzen Kaschmirpullovers, der beim Unfall zerrissen worden war. Der orthopädischen Halskrause, die ihr Brechreiz verursachte. Der zerlaufenen Schminke. Dem Kratzer unter dem linken Auge. Nein, es war nicht merkwürdig. Es war typisch. Frau ist gleich Tier. Nur zu einem gut. Maya dämpfte die Zigarette mit dem Absatz ihrer Stiefelette aus. Und lächelte. Genau das begriffen Weiber wie die Vingelli-Orsolatti nicht. Dass man eine Beziehung auf Augenhöhe haben und sich ohne Vorbehalte lieben konnte …
    Aber warum ließ Ilio so lange auf sich warten? Wo zum Teufel steckte er? Wie gut hätte sie doch daran getan, zu Hause zu bleiben. Anstatt Ilios Karosse zu nehmen, um ein Grundstück in der Gegend von San Zenone zu besichtigen, das zum Verkauf stand. Oder vielleicht hätte sie früher zurückkehren sollen. Umgehend vielleicht. Warnzeichen hatte es genug gegeben. Ihre Unruhe und ihre Beklemmung angesichts des trüben Lichtes der Straßenlaternen im aufsteigenden Nebel. Das Saxofonsolo im Radio. Die heruntergelassenen Rollläden und die Aluminiumrollos vor den Fenstern der menschenleeren Dörfer an diesem Sonntagabend. Die Pappelreihen wie auf einem Friedhof. Bevor der Verrückte, betrunken oder nicht, sie von der Straße gedrängt hatte, hatte sich Maya wieder einmal dabei überrascht, wie sie die Motorhacken und die Traktoren bemitleidete, die auf den Plätzen vor den Industriehangars in Reih und Glied standen. Die emsigen Bewohner der Poebene. Die Bewohner der Poebene, die sich hinter ihren Toren in einer unabänderlichen Traurigkeit verschanzten.
    – Maya, Gott sei Dank! Wie geht es dir, Liebes?
    Giulio Gioioso bot ihr seinen Arm und seinen Duft.
    Giulio Gioioso legte ihr seinen Kamelhaarmantel um die Schultern.
    Giulio Gioioso führte sie fürsorglich zu seinem blitzblanken Lamborghini, mit dem er zweifellos alle Geschwindigkeitslimits überschritten hatte, um im Augenblick der Not bei ihr zu sein.
    Maya zeigte sich zerbrechlich. Ihr war kalt. Giulio Gioioso strich ihr über das Haar. Als sie weinte, war sie endlich wieder bei sich.
    – Es ist alles in Ordnung, es ist vorbei, alles ist vorbei.
    Ilio war nicht bei ihr. Ilio war nicht da. Ilio.
2.
    Sie schliefen eng umschlungen, als sich Maya plötzlich über das Licht beklagte.
    – Mach es aus, Ilio, ich bitte dich, ich habe gerade so gut geschlafen.
    – Aber es ist aus, Liebling, das Licht ist aus!
    Maya öffnete die Augen. Das Schlafzimmer war dunkel. Dennoch pochte am unteren Rand des linken Auges ein roter, unerträglich greller Halbmond.
    – Würdest du bitte das Licht anmachen, Ilio?
    – Was fällt dir ein, Maya? Zuerst weckst du mich auf, weil du ein Licht siehst, das es gar nicht gibt, dann …
    – Bitte!
    Ilio drückte auf einen Schalter. Maya bedeckte die Augen mit der Hand, im Bann einer alten, irrationalen Angst. Mittlerweile war ein schwarzer Kreis an die Stelle des roten Halbmondes getreten. Sie schloss das rechte Auge. Mit dem offenen linken nahm sie ein ungewisses Beben wahr, die verschwommenen Umrisse des Regals, der Konsole mit den Schminksachen … der Rest war schwarz, tintenfischschwarz, ein absolutes, verheerendes, obszönes Schwarz …
    Eine Stunde später diagnostizierte Professor Nivasi eine Netzhautablösung. Zweifellos eine Folge des Unfalls. Auf der Bahre liegend wurde sie in den Operationssaal gebracht, Hand in Hand mit Ilio, der ihr tröstliche Worte zuflüsterte, aber ganz offensichtlich war er durcheinander, noch mehr durcheinander als sie … Man weiß ja, wie die Männer sind … Leidenschaftlich, aber angesichts des Schmerzes würden sie am liebsten davonlaufen … große, verlegene Tiere … plötzlich in den Kessel des wahren Lebens geworfen … Während man ihr irgendetwas in den rechten Arm injizierte, musste ihr Ilio schwören, dass sie keine Vollnarkose bekam. Sie wollte bei Bewusstsein bleiben. Nie und nimmer wollte sie sich der Dunstwolke des Vergessens anvertrauen. Sie hörte, dass Nivasi etwas murmelte. Ilio drückte ihr noch fester die Hand. Zu spät. Es war bereits alles entschieden. Sie versuchte zu schreien, aber die Lähmung hatte bereits Besitz von ihr ergriffen. Die Lähmung

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