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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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einander vorzustellen. In einem neapolitanischen Restaurant. Folklore,
casatiello
, in Meerwasser gekochter Knurrhahn. Diskrete Anwesenheit der Leibwächter. Nach der offiziellen Sperrstunde griff ein bekannter Sänger zur Gitarre. Die Kollegen zeigten sich von ihrer besten Seite. Die ewige italienische Mischung aus Exhibitionismus und Tragödie. Vor fünfzehn Jahren, als er noch ein junger idealistischer Polizist gewesen war, hatte er sich wegen einer heiklen Information an Falcone gewandt. Nach zwei Wochen hatte er die Antwort erhalten. Bei der Erinnerung an die Episode lachten sie. Damals hatte er die Antimafia-Prüfung bestanden. Aber als er Falcone im Augenblick des Abschieds fragte, ob er heute die Prüfung noch einmal bestehen würde, hatte der andere mit seinem leichten, zuckenden Lächeln durch ihn hindurchgeblickt. Und keine Antwort gegeben. Sie hatten sich alles gesagt in diesem kostbaren Moment. Er hatte diesen Mann nur flüchtig kennengelernt und gespürt, dass er einem Angst einjagte. Er wusste, dass die Mafia alles unternehmen würde, um ihn zu beseitigen. Deshalb waren für ihn die Dinge lange Zeit klar gewesen. Zumindest in großen Zügen. Was auch immer am Kochen war, Leute wie Falcone und Borsellino waren zu gefährlich.
    – Schauen Sie, dass Sie zu etwas Schlaf kommen. Morgen geben ich Ihnen ein paar Namen, die Sie bearbeiten können.
2.
    Danach fuhr Scialoja zu einer anonymen Industriebaracke auf dem Land in der Nähe von Pavona. Er parkte den blauen Lancia Thema mitten auf einem finsteren Platz, stieg mit ausgebreiteten Armen aus und sprach mit lauter Stimme, damit man ihn erkannte:
    – Rocco, ich bin’s.
    Irgendwo in gefährlicher Nähe antworteten ein dumpfes Knurren und ein ersticktes Hundebellen.
    – Rocco, ich bin’s, der Doktor, wiederholte er etwas verärgert.
    – Brav, Rolf. ’Tschuldigung, Herr Doktor, im Dunkeln hat er Sie nicht erkannt.
    – Schon gut, schon gut …
    Laternen an den vier Ecken des Parkplatzes durchbrachen die Dunkelheit. Mit umgehängtem Gewehr kam ihm der Wächter entgegen, an der Leine hielt er einen Hund, einen riesigen Rottweiler mit einem Nietenhalsband.
    – Anrufen hätten Sie wohl können, was?
    – Hab ich vergessen, Rocco. Mach einen Spaziergang!
    – Und der Hund?
    – Nimm ihn mit.
    – Wie lange brauchen Sie?
    – Komm in einer Stunde wieder.
    – Wie Sie wünschen. Übrigens … Doktor Scialoja …
    – Was ist, Rocco?
    – Es ist das erste Mal, dass Sie ohne Vecchio kommen.
    – Und?
    – Nix, nix …
    – Er fehlt dir, nicht wahr?
    – Jetzt steh ich Ihnen zu Diensten.
    Scialoja sah zu, wie er in der Dunkelheit verschwand. Wahrscheinlich verzog er sich in irgendeinen Winkel. Von wo aus er den Lancia Thema, die Baracke, die Gegend im Auge behalten konnte. Bewaffnet und bereit, auf jeden zu schießen, der es wagte, ihm zu nahe zu kommen. Solange ihm nicht Scialoja höchstpersönlich die Anordnung gab, den Unbekannten durchzulassen.
    Auch Rocco Lepore war eine Erfindung Vecchios. Ein kalabresischer Bandit, der im Winter ’44, als er in einem ukrainischen SS-Bataillon gekämpft hatte, Schande auf sich geladen hatte. Vecchio hatte ihn vor der Rache seiner Freunde, der Partisanen, gerettet. Seitdem war Rocco auf Gedeih und Verderb Vecchio ausgeliefert. Und seitdem es Vecchio nicht mehr gab, gehörte er Scialoja.
    Rocco Lepore. Der Wächter des Archivs.
    Scialoja ging in die Baracke und machte alle Lichter an.
    Die Lastwagen standen in Zweierreihen da. Autos im Besitz einer Transportfirma, die nichts zu transportieren hatte. Einem ausgeklügelten Plan folgend fuhren eifrige Chauffeure mit ihnen kreuz und quer durch Italien und füllten Begleitscheine für nicht existierende Waren aus. Gelangweilte Angestellte hefteten sie in Ordnern und Registern ab, die von Laufburschen in regelmäßigen Abständen entsorgt wurden.
    Vecchio, wieder einmal Vecchio.
    Scialoja ging um die Autos herum zum hinteren Ende der Baracke. Vor einer ölverschmierten Wand rosteten zwei alte AC-70 vor sich hin, Lkws aus dem Bestand des Heeres, die seit Jahren nicht mehr im Einsatz waren.
    „Darf ich Ihnen Ciccio eins und Ciccio zwei vorstellen?“ Dabei hatte Vecchio hinterhältig gegrinst, aber das Lachen aus seinem infolge eines Schlaganfalls schmalen, zusammengekniffenen Mund klang fast wie ein Röcheln.
    Scialoja ging zur Rückseite von Ciccio eins, hob die Plane, kletterte behände auf die Ladefläche, und als er drinnen war, drückte er auf einen Knopf.
    Er befand sich in

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