Schmutzige Haende
Liebe. Als hätte man brennenden Durst, der um jeden Preis gestillt werden musste. Danach eine etwas überlegtere Liebe. Und schließlich Sex ohne Eile. Langsamer Sex. Sex und aus.
Dann ein wenig Theater, das konnte nie schaden.
Argenti posaunte es nicht gern hinaus, aber unter dem bleiernen Korsett des Akademikers, der in die Politik gegangen war, pochten zwei verschiedene Herzen. Das sensible Herz eines Liebhabers der Poesie und das anarchische Herz eines ewigen Studenten, der das Vaudeville liebte, das Varieté, die Soubretten, das neapolitanische Kabarett, den Sketch. Einmal, ein einziges Mal war es ihm öffentlich herausgerutscht. Er hatte sich selbst als eine „Mischung von sentimentalem Dandy und Arschloch“ beschrieben, „der eine unsagbare Leidenschaft für unseren authentischen und abgelutschten Trash hegt“. Eigentlich war es seine verdrängte Seite, die Beatrice verführt hatte. Sie hatte begriffen, dass Mario es nicht nötig hatte so zu tun, als wäre er ein schwieriger und etwas verrückter Typ. Mario
war
ein schwieriger und etwas verrückter Typ. Bloß vergaß er es hin und wieder.
Und nun dieser unvergessliche Morgen. Unvergesslich für sie wie für ganz Italien, wie sie ein paar Stunden später auf tragische Weise erfahren würden. An diesem Morgen war Argenti wie entfesselt.
Er deklamierte für Beatrice den geliebten Cardarelli und ein paar großartige Strophen Pounds:
and thus came the ship … o moon, my pin-up
… Pound, der alte, erhabene Fascho-Schamane …
Und als er nackt, nur mit einem Strohhut auf dem Kopf, Fanfulla parodierte, „Era nata a Novi, peró non era una novizia …“, bog sie sich vor Lachen …
Argenti war zurück. Argenti war glücklich. Beatrices Augen glänzten. Es war ein wunderschöner Vormittag gewesen.
Dann kamen Valente und Morales. Zwei junge Hoffnungen des fortschrittlichen Denkens. Mit den jeweiligen Lebensgefährtinnen. Die Abteilung „Nur ich habe es“ und die Abteilung „Gott, wie sehr beleidigt doch der Gestank der Welt mein zartes Näschen“.
Und das Fest war vorbei. Die Glückseligkeit ruiniert. Der Frieden beendet.
Die Lebensgefährtinnen gaben einen Schwall von Nasallauten von sich, wie sie in Parioli üblich waren: Sie diskutierten darüber, in welche Schule sie ihre bei den obligaten philippinischen Kindermädchen abgestellten Sprösslinge stecken sollten, um ihnen eine möglichst strahlende Zukunft zu ermöglichen (Chateaubriand? Französisch ist nicht mehr in. Glaube ich zumindest. Irische Jesuiten? Ein wenig zu streng. Oder doch nicht? Merrymouth? Deutsche Schule? Dann kann man sie in zehn Jahren wenigstens nach Los Angeles schicken!). Beatrices halblaut vorgebrachter Einwand (aber unsere öffentlichen Schulen …) wurde seufzend und kopfschüttelnd abgetan (aber meine Liebe, unsere Schulen sind doch eine Katastrophe, das wissen alle, so ist es nun mal, mit der Tatsache muss man sich abfinden).
Valente erzählte zum x-ten Mal, dass er zu einer populären Talkshow eingeladen worden war. Der erste kommunistische Politiker, den man bat, in aller Öffentlichkeit
La canzone del cuore
zu singen. Valente hatte sich für
Questo piccolo grande amore
von Claudio Baglioni entschieden. Um endlich einmal zu beweisen, rechtfertigte er sich pflichtbewusst und leidenschaftlich, dass auch die Roten ein Herz haben und keine kleinen Kinder fressen.
Was Morales anbelangte, so unterhielt er sich nur, um seine jüngst erworbene Kompetenz in Sachen Matrosenjargon unter Beweis zu stellen. Morales kam aus einem gottverlassenen Dorf mitten in Umbrien, und obwohl man seine Beziehung zum Meer als durchaus problematisch bezeichnen hätte können, hatte er sich gerade bei einem Segelkurs eingeschrieben. So konnte er besser um D’Alema herumscharwenzeln, um in dem glücklichen Augenblick, in dem der von Togliatti bestimmte Erbe endlich der Boss werden würde, bereit zu sein.
Argenti spürte, wie anarcho-plebejischer Widerwille seine Speiseröhre hochstieg und heftig gegen sein Gaumensegel drückte, wo er, sofern er ihn nicht runterschluckte, zweifellos aufstoßen und einen bitteren, unangenehmen, im Hinblick auf den
cursus honorum
in der Partei äußerst kompromittierenden Geschmack zurücklassen würde. Er schluckte ihn runter, mit einem Ton, der eine Mischung aus unfreiwilligem Rülpser und hysterischem Lachanfall war. Alle blickten ihn an. Mit einem Hustenanfall rettete er sich vor der allgemeinen Missbilligung. Lässig stand er auf und verkündete, dass er
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