Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
Vom Netzwerk:
werden würden.
    Valeria war bereit. Ende des Sommers würde Valeria gehen.
    Es war ein schöner, kühler Abend. Die Schwalben flogen. In der Luft lag bereits der Duft des Sommers.
    Valeria und Pino Marino hielten Händchen.
    – Im Ernst. In zwei Monaten bin ich hier draußen. Man hat mir eine Arbeit angeboten. Ich soll das Zentrum in Rom leiten. Man sagt, ich kann mit Jugendlichen, die sich in einer Krise befinden, sehr gut umgehen.
    – Wirst du annehmen?
    – Hängt von dir ab.
    – Es ist dein Leben, Valeria.
    – Du machst es dir zu bequem, Mister! Du hast mich gerettet und bist für meine Zukunft verantwortlich … kannst du dich an die Geschichte von Moses erinnern?
    – Ich möchte bloß mit dir weggehen und irgendwo neu beginnen.
    Noch nie hatten sie sich so geküsst. Mit so viel Hingabe und Verzweiflung. Es war ein langer Kuss.
    Die Jugendlichen hörten einen Augenblick lang auf, Nägel in die Bühne zu schlagen, und applaudierten. Sie wurden rot und lächelten verlegen.
    Ja. Weggehen. Irgendwo neu beginnen. Mit Malerei und Musik.
    Ein neues Leben beginnen.
    Valeria fragte ihn, ob er zur Feier bleiben würde. Pino Marino sagte ihr, dass er in Rom etwas Dringendes zu erledigen hätte.
    Sie machte ein trauriges Gesicht und ließ ihn gehen.
    Dieser seltsame Junge hatte ihr Herz erobert.
    Am nächsten Morgen, um elf Uhr, holte Pino Marino einen blauen Cinquecento, den Guercio zwei Abende davor am Lungotevere degli Artisti gestohlen hatte, aus einer Garage an der Prenestina.
    Um elf Uhr dreißig parkte er den Cinquecento in der Via dei Sabini, in einer Gasse hinter der Piazza Colonna, und ging in aller Ruhe davon.
    Ein paar Minuten nach Mittag rief Yanez die Nummer 112 an. Die Sprengstofftechniker waren in Rekordzeit da und machten sich mit den Bombenentschärfungsrobotern an die Arbeit.
    Auf dem Rücksitz des Cinquecento fand man eine Fernbedienung und eine Schachtel mit einer Flasche, in der sich ein Sprengstoffgemisch auf der Basis von Ammoniumnitrat und ANFO befand.
    Um 13.45 rief Yanez bei der ANSA in Neapel an und sagte, das missglückte Attentat gehe auf das Konto der
Falange armata
.
    Am Nachmittag versuchte Stalin Rossetti Angelino Lo Mastro, der die Sache mit einem verächtlichen Lächeln abgetan hatte – und das soll eure Geste sein? Dieser Bubenstreich? –, zu erklären, dass die Sache zumindest großen symbolischen Wert hatte.
    – Ihr seid es nicht gewesen. Das werden sie sofort verstehen. Und sie werden sich fragen: Wer? Wer hat es gemacht? Und das wird das Chaos verstärken. Sie werden nichts mehr begreifen, sofern sie überhaupt jemals etwas begriffen haben. Insofern ist es auch eine Botschaft für Scialoja: Hau ab, du hast nichts zu sagen, jetzt sind wir da!
    – Und du sagst, das entspricht der
convenienza
?
    – Ich sage, dass wir dem Ziel nahe sind, mein Freund, ganz nahe!
    Er war überzeugend gewesen. Angelino hatte ihm geglaubt. Das war sein Fachgebiet. Desinformation. Verschmutzung. Verwirrung. Synergie. Ein kleiner, aber wichtiger Beitrag zur Causa. Und letztendlich der Beute.
    Er hätte mit beachtlichem Optimismus einen Schlussstrich unter einen erfolgreichen Tag ziehen können, wenn da nicht Pino Marino gewesen wäre.
    Der Junge hatte ihn mit entschlossener Miene vor vollendete Tatsachen gestellt und ihm dabei fest in die Augen geblickt.
    – Ende des Sommers gehe ich weg. Wir werden uns nicht wiedersehen.
    Dann hatte er noch ein paar Sätze hinzugefügt, wie: „Du warst wie ein Vater für mich.“ „Ich danke dir, aber es ist mein Leben.“
    Pino, Pino!
    Pino, warum enttäuschst du mich so?
    Stalin hatte ihm ebenfalls in die Augen geblickt.
    – Das Mädchen hat damit zu tun, nicht wahr?
    Pino Marino senkte den Kopf.
    – Tja, es ist dein Leben, Junge. Alles Gute!
    Aber bis zum Ende des Sommers war noch etwas Zeit.
3.
    Camporesi war heulend aus Florenz zurückgekehrt. Seine Stadt zerstört. Zerfetzte Leichen. Zerbröckelte Statuen. Der Geruch von verbranntem Menschenfleisch. Das war zu viel für ihn, zu viel. Wer konnte so ein Leid aushalten?
    Nach den üblichen und unvermeidlichen Beileidsworten hatte Scialoja ihm – wie in den Tagen zuvor übrigens auch einer Unmenge von offiziellen Gesprächspartnern – zu erklären versucht, dass das eigentlich Beunruhigende das Quasi-Attentat in der Via dei Sabini war.
    Er hatte auf diesem Ausdruck bestanden,
Quasi-Attentat
, um sein Publikum aufzurütteln. Die Carabinieri hatten bereitwillig die Originalversion zum Besten gegeben, in der

Weitere Kostenlose Bücher