Schmutzige Haende
… Sizilien ist ein schwieriger Boden, und um die Firma aufrechtzuerhalten, können wir nicht darauf verzichten …
– Willst du mir damit sagen, dass wir der Mafia Geld geben?
– So brutal würde ich es nicht ausdrücken …
– Und Giulio Gioioso hat auch damit zu tun?
– Aber was redest du? Er ist einfach Unternehmer!
– Ach ja? Und wo sind seine Fabriken? Seine Werkhallen, seine Produkte? Wo sind die Produkte, Ilio? Wo sind die Dinge, die man angreifen kann? Wo? Was genau macht Giulio Gioioso? Und wo ist Giulio Gioioso überhaupt? Früher wart ihr unzertrennlich, und jetzt taucht er seit Wochen nicht mehr auf! Ist er davongelaufen, Ilio? Hat er dich mit diesem Schlamassel alleingelassen und ist davongelaufen wie ein Hase?
Eine Sekretärin kam durch die Tür. Ein Anruf aus den Vereinigten Staaten. Könnte der Herr Doktor vielleicht … Ilio schickte sie mit einer müden Handbewegung weg. Die Frau zog sich zurück. Maya war auf einen der Sessel gesunken, die rund um den großen viereckigen Tisch standen.
– Du bekommst deine Schule. Ich verspreche es dir, flüsterte Ilio. Es gibt noch immer Rücklagen, die …
– Das interessiert mich nicht mehr. Nicht unter diesen Umständen, Ilio. So kann ich nicht weitermachen!
Maya ging zu ihm hin, kuschelte sich an ihn. Am liebsten hätte sie geweint. Wie ein Kind in den Armen eines liebevollen und … normalen Vaters. Nicht eines großen, von allen beneideten Vaters, der so schrecklich war wie ein auf die Erde herabgestiegener Gott. Nicht wie der Gründer, den Ilio immer auf alle erdenkliche Weise nachzuahmen versucht hatte.
– Wir verkaufen alles. Gleich. Sofort. Wir nehmen die
Nostromo
und segeln davon. Das hast du selbst gesagt, in Griechenland, erinnerst du dich? Wir segeln über das Meer davon, du, ich und die Kleine, weit weg von dieser Kloake … Tun wir es, Ilio, fahren wir auf immer davon …
Ilio wusste nicht, was er antworten sollte. Er war an einem toten Punkt angelangt. Sein Leben war an einem toten Punkt angelangt.
Das Epos der Bomben
1.
AUS DEM URTEIL DES 2. BERUFUNGSGERICHTES FLORENZ
6. JUNI 1998
MAILAND, VIA PALESTRO, 27. JULI 1993
Am 27. 7. 93, um ungefähr 23 Uhr, fuhr eine motorisierte Streife der Verkehrspolizei über die Via Palestro in Richtung Corso Venezia – Piazza Cavour. Plötzlich näherte sich der Streife, bestehend aus den Polizisten Cucchi Katia und Ferrari Alessandro, eine Gruppe von Personen und machte sie darauf aufmerksam, dass ein qualmendes Auto auf der Straße stand.
Tatsächlich sahen die Polizisten in einer Entfernung von einigen Metern auf der (von ihnen aus gesehen) linken Straßenseite, direkt vor dem Pavillon der Modernen Kunst (PAC) 28, einen grauen Fiat Uno, der mit der Schnauze in Richtung Piazza Cavour (also gegen die Einbahn) parkte. Sie bemerkten weißlichen Rauch im Inneren des Fahrgastraumes, der aus dem einen Spaltbreit offenen Rückfenster drang.
Sie riefen sofort die Feuerwehr, die auch tatsächlich innerhalb weniger Minuten eintraf (aus dem Journal der Feuerwehr geht hervor, dass der Anruf um 23.04 einging und sie um 23.08 vor Ort war). Es waren sieben Feuerwehrmänner, und zwar:
Picerno Stefano (Einsatzleiter), La Catena Carlo, Pasotto Sergio, Abbamonte Antonio, Mandelli Paolo, Maimone Antonio, Salsano Massimo.
Die Feuerwehrmänner brachen die Wagentüren auf und der Rauch verbreitete sich rasch. Allerdings konnten sie keine Verbrennungsvorgänge feststellen.
Der Parteiführer Picerno und der Polizist Pasotto öffneten die Hecktür und sahen im Kofferraum ein großes Paket, das einen Großteil des Kofferraums einnahm. Es war sorgfältig mit breitem, havannabraunem Klebeband umwickelt; auf der (aus der Sicht des Betrachters) linken Seite ragten einige Drähte hervor, die bis in den Fahrgastraum reichten.
Pasotto hatte den Eindruck, dass es sich um eine Bombe handelte, und teilte dies Picerno mit. Picerno gab den Befehl, die Gegend zu räumen. Tatsächlich entfernten sich die Polizeibeamten Cucchi und Ferrari in Richtung Corso Venezia und hielten an der Kreuzung von Via Palestro und Via Marino an; die Feuerwehrleute fuhren ungefähr zwanzig Meter Richtung Piazza Cavour, stiegen aus und begannen die Winde zu betätigen.
Nach einigen Minuten näherte sich der Polizeibeamte Ferrari auf Aufforderung der Einsatzzentrale dem Fahrzeug, um das Kennzeichen abzulesen, dasselbe machten einige Feuerwehrleute, vielleicht in der Absicht, auf die andere Straßenseite zu gelangen, wo sich die
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