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Schnappschuss

Schnappschuss

Titel: Schnappschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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flennen.«
    Sie stießen auf den Pfad, der sich durch den Sumpf schlängelte, das Schotterbett, die kleinen Holzbrücken, den Boardwalk. Tessa wusste, dass Challis hier gern spazieren ging. Sie hatte nie verstanden, was ihn hierher zog. Dann rief plötzlich jemand ihren Namen. Nicht Challis, aber jemand, der ihm nahe stand.

50
    Ellen stellte ihren Wagen zwei Blocks entfernt ab und ging durch eine Seitenstraße, die sie von einem Einbruch vor einem Monat wieder erkannte. In der nächsten Straße blieb sie stehen, weil ihr Magen derart nervös zuckte, dass sie schon befürchtete, sie müsse sich hinter einen Busch hocken und sich erleichtern. Kein Wind rührte sich. Es war dunkel. Sie konnte Challis’ Wagen nirgendwo entdecken. Vielleicht waren sie noch nicht zurückgekehrt, vielleicht waren sie zu ihm gefahren. Ellen glühte vor Eifersucht und Scham.
    Sie ging zu Tessa Kanes Haus hinüber und hörte Stimmen, aber drinnen brannte kein Licht, also ging sie an der Hausseite vorbei nach hinten. Sie kam sich wirklich schäbig vor und wollte auf jeden Fall wieder verschwinden, falls sie Beweise dafür fand, dass Challis und Kane ihre Affäre wieder hatten aufleben lassen.
    Hinter Kanes Haus stand ein Regenwassertank, und Ellen schlug sich am Wasserhahn das Schienbein wund. Sie humpelte im Kreis, schrie lautlos und erkannte an dem feuchten Gefühl, dass sie sich die Haut aufgeschlagen hatte und blutete. Humpelnd kam sie um die Hausecke, hörte das hintere Tor klappern und sah dann Tessas Gestalt im Schein des Lichts, das von den Hintergärten der Nachbarhäuser herüberfiel. Aus irgendeinem Grund eilte Kane in Richtung der Mangroven davon.
    Da stimmte doch etwas nicht. Kanes Schatten teilte sich zu zwei Gestalten, dann bildeten die beiden wieder einen Umriss, und Ellen sah, wie eilig es die beiden hatten. Dann hörte sie einen abrupt unterdrückten Schrei.
    Challis? Die beiden wollten es doch wohl nicht im Mangrovensumpf treiben?
    Die beiden Gestalten hatten es eilig, verbreiteten Lärm und Panik, deshalb konnte Ellen ihnen weiter folgen. »Hal? Tessa?«, rief sie. »Sind Sie das?«
    Die Gestalten blieben stehen, es blitzte und spuckte trocken. Etwas zerrte an ihrem Mantelärmel. Man hatte auf sie geschossen. Der Mantel wurde ihr plötzlich zur Last. Sie warf ihn ab, zückte ihre Dienstwaffe und trat in den schwammig weichen Seitenstreifen zwischen Schilfrohr und Mangroven, der ihre Schritte dämpfen und ihren Schatten in der Nacht verschlucken würde. Zur Sicherheit schoss der andere noch zwei Mal, und Ellen gab einen kurzen Schmerzensschrei von sich. Ihr Hals. Ein paar Zentimeter weiter links und sie würde nun an ihrem eigenen Blut ersticken. Sie suchte nach ihrem Taschentuch. Ihre Hände zitterten. Dann suchte sie nach ihrem Handy, wusste kaum noch, ob sie es verloren oder vergessen hatte oder ob der Schock sie lähmte.
    Dann rief Tessa Kane um Hilfe, und der Mann bei ihr fluchte. Vielleicht hatte sie sich aus seinem Griff befreien können.
    »Laufen Sie!«, rief Ellen – aber hatte sie überhaupt gerufen? Dann gab es wieder einen gedämpften Schuss, sie duckte sich, doch ihre Bewegungen wurden immer langsamer. Sie versuchte sich aufzurichten und den Schützen zu verfolgen, stattdessen sank sie langsam zu Boden, dort, wo im Schlamm die flache Flut stieg und sich in einem Urgestank um sie herum erstreckte. Bei der Suche nach ihrer Waffe und ihrem Handy patschte Ellen aufs Wasser wie ein Kind in der Badewanne.
    Der Killer war hinter ihr her. Ellen drehte den Kopf nach hinten, um den Schatten des Mannes auszumachen, doch die Nacht war voller flüchtiger Schatten. Sie hob ihre Hand, um ihn aufzuhalten oder um Hilfe zu flehen, und stellte dabei fest, dass sie ihre .38er noch immer in den Händen hielt. Die Waffe zuckte einmal und schlug ihr die Finger taub.

51
    Challis war gerade erst zur Haustür hinein, als er den Anruf erhielt. Geschockt und betäubt fuhr er zurück nach Waterloo, untersuchte die Leiche auf dem Boardwalk, konnte nur mühsam seine Gefühle unterdrücken und handelte dann unnachgiebig und schnell. Gegen Mitternacht saßen Scobie Sutton und er in verschiedenen Befragungszimmern Raymond Lowry und Robert McQuarrie gegenüber. Lowry und McQuarrie waren schläfrig, verwirrt, wirkten beleidigt, hatten noch nicht daran gedacht, ihre Anwälte zu verlangen, aber das würde sich noch ändern.
    Lowry kam als Erster an die Reihe.
    »Wo waren Sie heute Abend zwischen 21 Uhr und 22 Uhr?«
    Lowry gähnte und blinzelte.

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