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Schnappschuss

Schnappschuss

Titel: Schnappschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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sagte er sanft: »Kannst du mir sagen, warum du letzte Nacht dort warst?«
    Ellen wendete den Blick ab und antwortete: »Ich bin noch einmal einem Einbruchsdiebstahl in der Nachbarstraße nachgegangen und habe nach möglichen Verbindungen zu dem Einbruch bei dir gesucht, da bin ich zufällig vorbeigekommen.«
    Challis wusste, dass Ellen log. Er ließ es dabei bewenden, denn er war daran ja nicht ganz unschuldig. Die beiden fühlten sich zueinander hingezogen, sie spielten mit dem Feuer, und noch immer war da etwas zwischen ihnen, auch wenn es zu nichts führte. »Was für ein Glück«, sagte er.
    Ellens Augen schwammen in Tränen. »Wieso Glück? Ich konnte sie nicht retten. Und auf mich ist auch noch geschossen worden.«
    »Es hätte schlimmer kommen können.«
    Ellen berührte ihren Kratzer am Hals, als wolle sie damit andeuten, es sei nichts. »Ich konnte überhaupt nichts sehen. Ich musste mich in der Dunkelheit vorantasten. Ich habe zwar auf ihn geschossen, hab ihn aber wahrscheinlich verfehlt.«
    »Wir haben nichts gefunden.«
    »Von Tessa abgesehen.«
    »Von Tessa abgesehen«, wiederholte er.
    Sie schwiegen. Dann sagte Ellen sanft: »Hal, du trägst keine Schuld daran.«
    »Wer sagt denn, dass ich mir die Schuld gebe?«, wollte er wissen und klang dabei gröber als beabsichtigt.
    Ellen wendete den Blick von ihm ab und sah ihn dann erneut an. »Was ist mit Lowry und McQuarrie?«
    »Die haben ihre Anwälte eingeschaltet und verfügen über Alibis.«
    Ellen sank in ihre Kissen zurück. »Ich konnte zwar nichts erkennen, aber ich glaube nicht, dass es einer von beiden war.«
    »Ruh dich etwas aus.«
    »Alan hat mir den neuesten Progress mitgebracht«, sagte Ellen. »Tessas Beschreibung von Janine McQuarrie ist ziemlich treffend.«
    Challis nickte. Er hatte den Artikel beim Frühstück gelesen und Tessas Stimme in seinem Kopf gehört; ihre besondere Bissigkeit und Ironie kamen deutlich heraus. Er blinzelte.
    Ellen tat so, als bemerkte sie das nicht. »Gibt es eine Verbindung zwischen den beiden Morden?«
    »Ruh dich aus.«
    »Ich komme morgen wieder zum Dienst.«
    »Sei nicht albern.«
    »Ich komme«, sagte Ellen, »und hör auf, dich selber zu bemitleiden.«
    Challis hätte sie beinahe angeschnauzt; stattdessen ging er hinaus auf den Parkplatz, mied Kameras und Mikrofone. Hinterm Lenkrad befahl er sich, gleichmäßig durchzuatmen. Er konnte es nicht leugnen. Er bemitleidete sich tatsächlich. Dann fiel ihm ein Satz ein, den Tessa mal über ihn gesagt hatte: Er neige dazu, sich schuldig zu fühlen, wenn es keinen Grund dafür gab oder unnötig war, und dieses Schuldgefühl sei in vielerlei Hinsicht eine Vergeudung von emotionalem Einsatz. Das stimmte. Sie hatte ihm Weisheit zuteil werden lassen, und er war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, um das zu bemerken.

52
    Dienstag gegen 16 Uhr schrieb Vyner: Männer sind Kontinente , Männer sind Inseln , doch ich bin ein felsiges Riff unter Wasser .
    Er hatte gerade fünfhundert Dollar von einer Frau in Glen Iris kassiert, Mutter eines Armeefunkers, der auf der irakischen Seite der kuwaitischen Grenze auf eine Mine getreten war. Ja, ein Held, toller Kerl, hatte bei einer Gelegenheit Vyner das Leben gerettet, war aber zu bescheiden, das an die große Glocke zu hängen. Die Augen der Mutter glänzten, Vyners Augen glänzten. Das Ganze war ungeheuer rührend, und Vyner glaubte jedes einzelne Wort davon fast selbst.
    Langsam wurde es nur ziemlich schwer, sich noch daran zu erinnern, wer er eigentlich wirklich war. Der private, wirkliche Vyner war der Typ von der Navy, der sich der Anthrax-Injektion widersetzt hatte, aus diesem Grund, und wegen ein paar anderer Kleinigkeiten, entlassen wurde und später hier und da ein paar Jährchen im Knast gesessen hatte. Der angebliche Vyner war der Armeekumpan von irgendeinem armen Schwein, das auf fremder Erde umgekommen war. Der neue Vyner war ein Auftragskiller – und Teilzeitschwindler.
    In diesem Augenblick kriegte er wieder eine SMS auf sein Handy. Keine Glückwünsche zu dem erfolgreichen Job, gestern Nacht Tessa Kane weggefegt zu haben, nur eine wütende Anfrage, warum die Beschreibungen von Nathan Gent und dem Fluchtwagen an die Presse geraten waren. Keine Erklärung keine $$ ,schloss die SMS.
    Verdammt. Vyner hatte heute Morgen die Zeitung nur überflogen, jetzt nahm er sie sich genauer vor. Die Titelseite brachte den Mord von gestern Nacht, also blätterte er weiter, und da, auf Seite fünf, fand sich eine

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