Schnappschuss
Um 21 Uhr 20 tauchte Tessa Kane im Lichtkegel vor dem Restauranteingang auf, Mantel an, Kragen hochgeschlagen, Schultern hochgezogen, und wartete auf ihren Freund. He, Ärger im Paradies? Alles an ihr sprach Bände. Vyner schaute zu, wie sie zum Schrottauto ihres Freundes gingen, und fünf Minuten später folgte er ihnen zurück nach Waterloo.
Also doch, Ärger im Paradies. Statt die Nacht bei ihr zu verbringen, setzte der Freund sie vor ihrem Haus ab und fuhr davon. Das Zielobjekt schloss die Tür auf, und Vyner stand genau hinter ihr.
Hinter ihrem hübschen Hintern.
49
Es war dunkel geworden, der Abend war neblig und voller undeutlicher Schatten, die kalte Luft durchsetzt mit dem Modergeruch der Mangroven. Tessa, die ihre Haustür aufschloss, dachte nur an Hal Challis und warum sie seinem Wunsch nachgeben sollte, Robert McQuarrie und die Swingerparty-Story nicht weiterzuverfolgen. Sie zog den Schlüssel ab und trat in ihren Hausflur. Plötzlich schlug ihr jemand hart in den Rücken und zwang sie in die Knie. Sie hörte die Tür zuschlagen. Jemand hockte sich auf sie. Er roch nach der eisigen Kälte draußen, nach Scheiße und Aufregung. Seine Finger verkrallten sich brutal in ihre Haare und rissen ihr den Kopf nach hinten. Dann bohrte sich die Spitze von etwas Langem, Metallischem, von seinem Körper eklig angewärmt, unter das Gelenk ihres Unterkiefers.
Ein Revolver mit Schalldämpfer.
»Keinen Ton, du Schlampe.«
Tessa sagte kein Wort.
Er zog weiter an ihren Haaren, trat zurück, zog sie hoch, der Gegenstand am Ende des Revolverlaufes wanderte ihr den Rücken hinunter, und hielt zwischen ihren Gesäßbacken. »Willst du das? Sollst du haben, wenn du mir Ärger machst, du Schlampe.«
Die Wörter selbst waren belanglos, doch die Wut, die in ihnen steckte, das Gefühlschaos des Mannes, sein Körpergeruch ließen sie gehorchen.
»Steh auf.«
Sie versuchte, Rücken und Knie durchzudrücken. Sie sagte etwas, was wohl alle sagten, wie sie glaubte: »Bitte tun Sie mir nicht weh.«
»Halts Maul.«
»Was wollen Sie?«
Er bohrte mit seiner Waffe noch tiefer. »Was hab ich gerade gesagt? Halts Maul.«
Tessa gehorchte.
Mit der freien Hand griff der Mann um ihren Bauch und tastete gleichgültig an Brust und Leistengegend herum. Er trug Handschuhe. Das Ganze war eine böse Parodie auf ein Vorspiel, und Tessa spürte, wie sich ihr Verstand vom Körper löste und alles wie aus großer Entfernung beobachtete. Sie drehte den Kopf ein wenig zur Seite und sah einen dunklen Mantel, eine dunkle Wollmütze und schmale Gesichtszüge. Seine dicken Lederfinger krallten sich in ihr Schamhaar und zogen fest. »Augen geradeaus.«
Sie schaute nach vorn und sah ihren kalten, unbeleuchteten Hausflur entlang.
»Beweg dich.«
»Wohin?«
»Schnauze. Hintertür.«
Er blieb ihr dicht auf den Fersen, packte mit der einen Hand die Haare an ihrem Hinterkopf, presste mit der anderen den Revolverlauf gegen ihr Steißbein und schob sie zur Hintertür.
»Aufmachen.«
Tessa versuchte, ihre Eindrücke von dem Mann zu ordnen. Drahtig, dürres Gesicht, dunkle Bekleidung, etwa ihre Größe, eine harsche Stimme voller Anspannung. Losgelöst von diesem besonderen Zusammentreffen von Ort, Zeit und Umständen würde sie diesen Mann niemals identifizieren können.
Dann gingen sie durch die Hintertür und überquerten den nassen Rasen zum Tor am anderen Ende des Gartens. Tessa schwirrte der Kopf. Der Mann wollte sie draußen im Sumpf umbringen und dann in einen Entwässerungsgraben werfen. Da gab es stehende Wasserlöcher voller Schlamm. Man würde sie niemals finden, Fische und Vögel würden sie bis auf die Knochen saubernagen.
»Wer hat Sie angeheuert? Lowry oder Robert McQuarrie?«
»Halts Maul.«
Er schubste sie, Tessa stolperte. Er riss fest an ihren Haaren und riss ganze Büschel aus. Gras und Farne strichen ihr feucht über Schuhe und Hose. Der Mann hinter ihr fluchte leise.
»Wer sind Sie?«
»Halts Maul.«
Sie drehte leicht den Kopf zur Seite. Links und rechts entlang des Zaunes waren die Rückseiten der Nachbarhäuser, hier und da brannte Licht. Hauswirtschaftsräume, Küchen, Veranden, Badezimmer. Irgendwo lief Hör mal , wer da hämmert auf voller Lautstärke.
»Geht es um einen Artikel, den ich veröffentlicht habe?«
Diesmal schlug er ihr mit dem Revolver gegen die Schläfe, der Schmerz blendete sie regelrecht. Tessa fing an zu weinen. Sie konnte nicht anders, er hatte ihr allen Mut genommen.
»Hör auf zu
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