Schnappschuss
sagte: »Das bestreite ich. Sie hat ihren Job immer gut gemacht«, und legte auf. »Der Super«, sagte er.
Ellen wusste, was er meinte. »Er hat Tessas Beschreibung von Janine gelesen.«
Challis nickte müde. »Was gibts?«
»Das hier hört sich vielversprechend an. Heute Morgen rief ein Automechaniker aus Safety Beach an. Bis vor etwa sechs Monaten hat er einen 1983 Commodore gewartet, eierschalweiß, blassgelbe Tür. Er selbst hat die Tür von einem Schrottplatz geholt.«
»Fahrzeughalter?«
»Nora Gent, Adresse in Safety Beach«, antwortete Ellen.
Sie schaute zu, wie Challis eine Liste durchging, und war erleichtert, als sich seine Stimmung besserte. »Hier ist sie, Nora Gent, Halterin eines 1983er Holden Commodore, Kennzeichen QQP-359. Die Registrierung ist abgelaufen. Sie hätte vor vier Monaten verlängert werden müssen.«
»Verkauft? Verschrottet? Gestohlen?«
»Wer weiß? Aber wir müssen mit ihr reden.« Challis griff nach dem Telefonbuch, blätterte und murmelte: »Gent, Gent, Gent. Steht nicht drin.«
»Weggezogen? Namenswechsel nach Eheschließung?«
»Sinnlose Spekulation«, sagte Challis. »Ich werde mit Scobie rausfahren und mal mit ihr reden.«
»Nein«, sagte Ellen.
»Nein?«
»Nimm mich mit.«
»Dein Hals …«
»Mir gehts bestens.«
Challis zuckte mit den Schultern. »Hol deinen Mantel.«
Hal fuhr mit eingeschalteten Lichtern zur anderen Seite der Halbinsel. Es war Nachmittag, und die Temperaturen würden wohl nur mit Mühe auf dreizehn Grad steigen. Wieder war der Nebel vom Meer hereingezogen, hatte sich zwar großteils gehoben, hing aber noch hier und da über dem Highway und in den Senken der durchgeweichten Koppeln. Ellen kuschelte sich tiefer in ihren Mantel und wartete, dass Challis endlich etwas sagte. Die noch frische Vergangenheit schien den Raum zwischen ihren Sitzen auszufüllen wie ein naseweiser Fahrgast auf dem Rücksitz. Die Atmosphäre war durchsetzt mit Schuld, peinlicher Berührtheit und Verlangen, das, wie sie wusste, auf Gegenseitigkeit beruhte, sich aber nicht entfalten konnte – und auch nicht sollte.
Ich muss endlich erwachsen werden, ermahnte sich Ellen. Ich bin verheiratet. Ich habe Verantwortung. Solche Arbeitsplatzromanzen sind doch nur abgeschmackt und voller Klischees.
Nein, diese Romanze sicher nicht, fügte sie einen Augenblick später im Geiste hinzu. Die wäre etwas Besonderes geworden. Falsch, aber etwas Besonderes.
Doch noch immer fühlte Ellen sich in dieser Situation nicht viel besser, also räusperte sie sich und sagte: »Hal, das mit Tessa tut mir leid.«
Hal nickte. »Du hast getan, was du konntest. Tut mir leid, dass du angeschossen wurdest.«
Ellen fragte sich, wie sie es am Besten ausdrücken sollte. »Du musst dich beschissen fühlen.«
»Ja, natürlich. Niemand verdient so zu sterben. Sie wollte mit ihrer Arbeit aufhören, weißt du?«
»Nein, das wusste ich nicht.«
»Ellen«, sagte Challis, »offen gesagt mochte ich sie, ich werde sie vermissen, aber die Geschichte mit uns hatte keine Zukunft.«
Und mit uns auch nicht, dachte Ellen.
Zwanzig Minuten später waren sie in Safety Beach. Vom Meer wehte eine steife Brise herein. Der Automechaniker, der sich die Hände an einem öligen Lappen abwischte, ging mit ihnen in sein Büro. Überall fettige Fingerabdrücke, auf den Rechnungsbüchern, den Arbeitsblättern, dem Progress ,den abgelaufenen Kalendern und den Ersatzteilkatalogen. Ellen setzte sich nicht hin, aber der Schmutz und der Geruch aus Öl, Schmiere und Benzin machten ihr nichts aus. Der Automechaniker und seine Werkstatt wirkten irgendwie solide und zuverlässig.
»Ich bin nochmal die Unterlagen durchgegangen«, sagte der Automechaniker. »Nora Gent, wohnt gleich hier in Safety Beach.«
»Was wissen Sie noch über Nora Gent?«
»Fröhlich, nicht sehr alt – um die dreißig? – und immer pünktlich bezahlt.«
»Und Sie haben eine gelbe Tür eingebaut?«
»Ja, stimmt. Die alte war durchgerostet, der reinste Bullenmagnet – ’tschuldigung –, also habe ich ihr auf dem Schrott eine andere Tür gesucht.«
»Welche Tür?«
Der Automechaniker starrte an die Decke in die Vergangenheit. »Die Fahrertür«, sagte er schließlich.
»Und wissen Sie noch etwas über sie?«
»Was denn? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie jemanden erschossen hat, falls Sie das meinen. Nettes Mädchen.«
»Ihr Job«, zählte Challis geduldig auf, »Freund, Bruder, Ehemann.«
»Soweit ich weiß, hat sie in einem Reisebüro
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