Schnappschuss
werden.«
Das brachte ihm fragende Blicke ein.
»Erstens«, sagte Challis, »Gent und Lowry haben auf dem Marinestützpunkt gedient, vielleicht kannten sie sich ja. Zweitens, aus der Waffenkammer der Marine fehlen ein paar Handfeuerwaffen. Lowry hatte Motive, McQuarrie und Tessa Kane umzubringen. Hat er vielleicht Gent und den Schützen angeheuert? Ist der Schütze ebenfalls ein ehemaliger Navy-Mann? Hat unser Schütze eine der fehlenden Waffen erworben? Haben Lowry oder Gent diesen Deal eingefädelt? Wir sollten ihre Karriere in der Navy abklopfen und nach Bezügen zu dem toten Waffenmeister und all den anderen suchen, die den Dienst aus undurchsichtigen Gründen quittiert haben.«
»Aber Robert McQuarrie hatte doch ebenfalls Motive, die beiden Frauen umzubringen«, warf Ellen ein, »eine Verbindung zur Navy gibt es aber nicht.«
»Er gehört dennoch zum Kreis der Verdächtigen«, beharrte Challis, »doch solange es keine neuen Hinweise gibt, werden wir uns um Nathan Gent kümmern. Der Schütze hat irgendwie mit ihm zu tun.« Er schwieg kurz. »Unglücklicherweise lebt er seit seinem Ausscheiden aus der Navy von einer Pension, hat also keine Arbeitskollegen, und über seinen sonstigen gesellschaftlichen Umgang wissen wir nichts.«
Ellen klopfte sich mit dem Stift gegen die Zähne. »Bisher beantworten wir nur das Wie«, sagte sie, »dabei suchen wir doch die Antwort auf das Warum. Wir wissen immer noch nicht, warum Janine das Opfer war, ob sie überhaupt das beabsichtigte Opfer war, und wir wissen nicht, ob Tessa Kane von demselben Mann umgebracht wurde.«
Challis nickte. »Also zurück zum Ausgangspunkt: Wir müssen uns Janine noch einmal intensiv anschauen. Gleichzeitig sollten wir in Gents Armee- und Zivilleben stöbern und darauf achten, ob wir eine Verbindung zu unserem toten Waffenmeister finden.«
55
Doch damit kamen die Ermittlungen fast zum Erliegen. Die Durchsuchung von Nathan Gents Haus erbrachte nur Hinweise auf ein dürftiges Leben. Kein Tagebuch, keine persönlichen Briefe, kein Computer. Die Nachbarn waren gleichgültig und hatten nichts bemerkt. Gent schien ohne Arbeit und Freunde gewesen zu sein. Von ihm selbst fehlte jede Spur. Falls er der Fahrer gewesen war und sich aus dem Staub gemacht hatte – was wahrscheinlich schien, der Kühlschrank war leer, und seine Post lagerte im Postamt –, dann hatte er einen uneinholbaren Vorsprung vor der Polizei.
Es gab ein relativ neues Foto von Gent, doch da hatte er noch alle Haare auf dem Kopf, und Georgia McQuarrie war nicht sicher, ob das der Mann war, den sie hinter dem Lenkrad des Commodore gesehen hatte. Bei dem Phantombild von Scobie Sutton und Joseph Ovens war sie sich dagegen sicher.
Die Wochen zwei und drei nach dem Mord an Janine Mc-Quarrie vergingen, und die Ermittlungen konzentrierten sich nun auf die Dienstakten von Gent und Lowry bei der Navy.
Nichts ließ darauf schließen, dass die beiden irgendetwas mit der Ermordung Tessa Kanes zu tun hatten.
Weitere Geldforderungen gingen nicht mehr ein, und nach und nach ließ Superintendent McQuarrie von Challis ab. Schließlich erhielten sie einen Durchsuchungsbefehl für Janine McQuarries Akten, doch sie hatte nur lückenhaft Unterlagen geführt, und es klingelten keinerlei Alarmglocken, als Challis sie durchging. Auch Dominic O’Brien war nur wenig hilfreich: »Janine war ein Profi. Wenn irgendeiner ihrer Klienten den Drei-Punkte-Test nicht bestand, dass sie eine Bedrohung für sich selbst, für andere oder für das Gesetz darstellten, dann hätte Janine das sofort gemeldet.« Challis nickte, gab aber nichts darauf, sondern notierte sich weiter Namen, Daten und Adressen.
Dann traf die Meldung ein, dass Blight unter der Dusche des Gefängnisses Long Bay niedergestochen worden war. Tot. Solange es allerdings noch den kleinsten Verdacht gab, dass Blight jemanden auf Christina Traynor angesetzt hatte und dieser jemand immer noch an der Arbeit war, hielt Challis es für das Beste, dass sie in Übersee blieb, und informierte Mrs. Humphreys nicht darüber.
Einzige Abwechslung für Challis waren zwei Tage bei der Mordkommission in Shepparton, wo sie wegen der Hongkong-Grippe zu wenig Leute hatten. Ein Gemüsegärtner war regelrecht hingerichtet worden. Der Mann verkaufte seine Ware an den Victoria Market in Melbourne, und alles deutete auf organisiertes Verbrechen hin. Entweder hatte sich der Mann im Streit auf die falsche Seite gestellt oder keine Schutzgelder gezahlt, vielleicht hatte er
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