Schnappschuss
Australien.«
»Zentralheizung.«
»Nein.«
Ein dummes, sinnloses und erniedrigendes Gezänk, typisch für die einfachen, aber gefährlichen Niederlagen und Kümmernisse ihres Mannes, denen zwei Dinge zu Grunde lagen: Er war durch die Prüfungen zum Sergeant gerasselt, und seine Frau war die Karriereleiter hinaufgefallen, nur weil sie eine Frau war.
Das Telefon klingelte, Alan hob schnell ab, lauschte, sagte dann kurz angebunden: »Tut mir leid, sie hat den Vormittag frei«, und legte wieder auf.
»Wer war das?«
»Challis.«
»Alan!«
Ellen nahm den Hörer und wählte Challis’ Handynummer. »Hal, tut mir leid –«
Challis unterbrach sie, teilte ihr mit, dass die Schwiegertochter des Superintendent ermordet worden war, und skizzierte kurz die Tatumstände. »Ich werde eine extra Kommission zusammenstellen und alle gegen Mittag einweisen. In der Zwischenzeit möchte ich, dass Sie mal bei Bayside Counselling Services vorbeischauen: Verschaffen Sie sich einen Eindruck von Janine McQuarrie und den Leuten, mit denen sie gearbeitet hat, und schauen Sie nach, ob ihr Tagebuch oder Kalender irgendetwas über ihre Aktivitäten heute hergibt.«
»Ich nehme Scobie mit.«
»Aber nur, wenn er vor Gericht fertig ist.«
6
Scobie Sutton, ein dürrer Mann mit dem Gesichtsausdruck eines trauernden Predigers, unterdrückte ein Gähnen. Er saß im Friedensgericht von Frankston. Heather Cobb hatte heute Morgen aufgrund einer Anklage wegen Drogenbesitzes einen Gerichtstermin, und Scobie, der sie verhaftet hatte, war anwesend, um ein gutes Wort für sie einzulegen, damit sie nicht ins Gefängnis musste.
Das Ganze hatte vor zwei Wochen begonnen, als er zu einer Grundschule in Waterloo gerufen worden war. An dem Morgen hatte Sherry Cobb, kaum neun Jahre alt, bei seinem Auftritt vor der Schulkasse eine Marihuanapflanze in einem Plastiktopf gezeigt. Scobies Gespräch mit dem Kind und der anschließende Besuch bei der Mutter hatte die übliche Geschichte aus Armut, Abhängigkeit und Vernachlässigung zu Tage gefördert. Die Cobbs hatten fünf Kinder von drei bis achtzehn. Der Vater saß im Knast. Die Mutter war Alkoholikerin. Sie lebten in einer Holzhütte mit zwei Zimmern zwischen der Eisenbahnlinie und einem Sägewerk.
Scobie warf im Gerichtssaal Natalie Cobb einen Blick zu. Sie war das älteste Kind, in der zwölften Klasse und schwänzte heute die Schule, um ihrer Mutter moralischen Beistand zu leisten. Als Scobie Heather Cobb zum ersten Mal befragt hatte, war Natalie ebenfalls dabei gewesen. Sie hatte in einem Trainingsanzug vor der Glotze gehangen. Natalie war eine gut aussehende junge Frau, aber es war zwei Uhr nachmittags gewesen, und eigentlich hätte sie in der Schule sein müssen. Heute sah sie nicht aus wie achtzehn, sondern wie achtundzwanzig, und trug ihre besten Sachen. Ohne ihre Schuluniform wirkte sie so souverän wie irgendeine der jungen Anwältinnen, die man beim Friedensgericht sah. Natalie lächelte ihre Mutter an und warf Scobie dann einen schwer deutbaren Blick zu.
Ein kompliziertes Kind, dachte Scobie.
Ein Termin folgte dem anderen, und dann war Heather an der Reihe. Wie erwartet beließ es der Friedensrichter bei einer Verwarnung. »Ich akzeptiere die Tatsache, dass Sie die Pflanze nicht gezogen haben, Mrs. Cobb, dennoch haben Sie zugelassen, dass man Ihre Räumlichkeiten zur Kultivierung von Marihuana missbraucht hat.«
Heather, die ein dünnes Sommerkleid und einen zerfetzten Parka trug, warf Scobie einen sorgenvollen Blick zu. Der lächelte sie an, nickte und hauchte ein tonloses sorry durch den Gerichtssaal zu ihr hinüber.
Heather erstrahlte, wischte sich eine fettige Strähne aus den Augen und sah den Richter zuversichtlich an. Sie sagte ihm, wie leid ihr die Angelegenheit tue, dass so etwas nie wieder vorkommen würde, dass der Mann, der die Pflanzen angebaut hatte, ein Grobian gewesen war und sie Angst vor ihm gehabt hätte, dass er nun aber in Brisbane im Gefängnis sitzen würde und sie ihn unter gar keinen Umständen wieder bei sich aufnehmen werde.
Sie meint es ehrlich, dachte Scobie.
Nach ihrem Termin stand Heather Cobb zitternd vor dem Gerichtssaal. Ihre Anspannung ließ langsam nach. »Mr. Sutton, ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll.«
»Schon in Ordnung«, sagte Scobie. »Das war ein gutes Ergebnis.«
»Der Friedensrichter hat auf Ihre Empfehlung gehört«, sagte Natalie. »Sie haben den Ausschlag gegeben. Danke«, und gab ihm ein Küsschen auf die Wange.
Scobie
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