Schnappschuss
erwähnt, dass ich mit Beth verheiratet bin. Jetzt wird Natalie ihr gegenüber argwöhnisch werden.«
»Scobie, Groll gegen die Polizei zu hegen, ist in diesen Sozialsiedlungen doch angeboren.«
»Ich weiß, aber das muss ja nicht so sein. Beth hält ihre und meine Arbeit völlig voneinander getrennt.«
Sie fiel in Schweigen. Die Straße war nun breit und flach, und Ellen entspannte sich ein wenig. Ihre Gedanken schweiften ab. Schon möglich, dass einer von Janine McQuarries Klienten der Mörder war, aber Akteneinsicht zu bekommen, dürfte ihnen Kopfzerbrechen bereiten. Andererseits wiesen alle Umstände der Tat auf ein hohes Maß an Planung und Professionalität hin, so als habe es sich um einen Auftragsmord gehandelt.
Man würde sich die Finanzen der Frau ganz genau ansehen müssen. Ellen fragte sich, ob es letztlich immer ums Geld ging, und dachte an die sinnlos wütenden Ausfälle ihres Mannes. Es ging ihnen ja tatsächlich nicht besonders gut, trotz zweier Gehälter – eins ihrer zwei Autos war reif für den Schrottplatz, und die Miete und die Studiengebühren ihrer Tochter brachen ihnen fast das Genick –, aber Alans Verbitterung nahm manchmal merkwürdige Formen an. Erst gestern Abend hatte er mit einem Seitenblick gesagt: »Findest du es nicht auch bemerkenswert, dass es fast immer Kriminalpolizisten sind, die wegen Diebstahl oder Korruption erwischt werden?«
Kriminalpolizisten wie sie, meinte er. »Und was willst du mir damit sagen?«
»Sie bringen die ehrliche Polizei in Verruf.«
Jungs wie er, meinte er damit. Nur selten war die Innere Revision bei der Polizei gezwungen, bei den Männern der Verkehrs- und Unfallstreife eine Untersuchung durchzuführen.
Bei Alan stieß man ständig auf solche Unterströmungen. Gut möglich, das er depressiv war. Aber vor allem hatte Ellen Angst, er könnte sie ertappt haben. Immer mal wieder hatte sie im Laufe der Jahre an den Tatorten Geld eingesteckt, fünfzig Dollar hier, fünfhundert Dollar da. Wahrscheinlich nicht mehr als zweitausend Dollar alles in allem, und das in zehn Jahren, und einen Fang von fünfhundert Dollar hatte sie in die Kirchenkollekte gesteckt. Aber der pathologische Zug war nun mal vorhanden, und sie hatte Angst. Angefangen hatte das alles mit dem Kaugummi im Eckladen, als sie acht war, und obwohl sie eigentlich mit solchen Diebereien aufgehört hatte, war der Impuls doch immer noch vorhanden. Vielleicht brauchte sie eine psychologische Beratung. Vielleicht sollte sie einen Termin mit Dominic O’Brien vereinbaren.
Was würde wohl Challis von ihr denken, wenn er das jemals herausbekäme? Schon der Gedanke daran machte sie ganz niedergeschlagen. Ihre Handflächen wurden feucht. Sie wischte sie an ihren Oberschenkeln ab und ließ Scobie Sutton auf der ganzen Straßenbreite hin und her kurven und reden und reden.
Bei ihrer Rückkehr stellten sie fest, dass Challis zwei DCs aus Mornington bei sich hatte und mit ihrer Hilfe im Konferenzzimmer im ersten Stock eine Einsatzzentrale eingerichtet hatte: Computer, Telefone, Faxgeräte, Tafeln, Fotokopierer, Scanner und einen Fernseher. Vor allem aber, und das interessierte Ellen mehr als alles andere, hatte er Kaffee gekocht und eine Schachtel Gebäck mitten auf den Konferenztisch gestellt. Ellen trank Kaffee und aß etwas, während Challis ihnen die Detectives aus Mornington vorstellte und ihnen allen anhand seiner Notizen aus dem Laptop den Fall skizzierte.
Schließlich wandte er sich an sie. »Ellen?«
Sie wischte sich die Krümel vom Kragen und fasste die Ergebnisse der Befragungen bei den Bayside Counselling Services zusammen.
»Wir müssen uns diese Akten anschauen«, stellte Challis fest. »In der Zwischenzeit habe ich mal ein wenig ihren Gatten gegoogelt. Er ist ein bekannter harter Knochen in der Finanzwelt, gut im Freisetzen und Downsizen, er hat sich also zweifellos Feinde gemacht. Wenn Ellen und ich mit seiner Tochter geredet haben, werden wir in die Stadt fahren und ihn uns mal vornehmen.«
Scobie Sutton hatte das Gebäck links liegen lassen, schälte und zerteilte stattdessen säuberlich einen Apfel. »Ob die Tochter eine gute Zeugin abgibt?«
Challis zuckte mit den Schultern. »Das werden wir erst wissen, wenn wir mit ihr gesprochen haben, aber immerhin hat sie den ersten Polizisten am Tatort berichtet, die Mörder seien mit einem alten Auto gekommen, weiß mit einer gelben Tür. Das ist Ihr Job«, sagte er zu einem der DCs aus Mornington. »Ich habe eine Anfrage nach einer Liste
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